Pfarrer zu vermieten: Heiraten ohne Wenn und Aber
Taufe am Rhein, Urnenbeisetzung im Wald oder Heiraten auf der Alp: Der Wunsch, ausserhalb der Kirchenmauern den Bund des Lebens zu schliessen oder Abschied zu nehmen, nimmt in den letzten Jahren stark zu. Mit dem Resultat, dass bei diesen Lebensübergängen die Geistlichkeit kaum noch eine Rolle spielt. Dies soll sich nun ändern – mit dem Projekt «Offenes Pfarramt».
Matthias Eichrodt, ehemaliger Kirchenrat der Kantonalkirche, initiierte das Projekt «Offenes Pfarramt» vor wenigen Jahren. Sein Nachfolger Andreas Heieck übernahm es vergangenen Herbst.
Nun steht das Projekt kurz vor der Lancierung. «Wir stellen fest, dass die Zahlen an Taufen, Trauungen und Abdankungen innerhalb des kirchlichen Rahmens zurückgehen», sagt Andreas Heieck. «Dies hängt unter anderem mit einer generellen Skepsis gegenüber Institutionen zusammen sowie einem Bedürfnis nach Individualisierung.» Dennoch sei bei vielen ein starkes spirituelles Bedürfnis nach Ritualen und Kasualien gerade bei Lebensübergängen vorhanden. Dies zeige sich an den verschiedenen Ritualagenturen, die es mittlerweile in der Schweiz gibt, wie in Bern und im Aargau.
Neue Ritualfeiern erarbeitet
Unter dem Namen «accompagnato» (begleitet) wird im Mai eine Website aufgeschaltet. Auf dieser werden voraussichtlich an die zehn Pfarrpersonen vorgestellt, die über die Gemeindegrenzen hinaus Menschen in Übergangssituationen begleiten. «Die Pfarrpersonen gehen – wie in den lokalen Kirchgemeinden – auf die Bedürfnisse und die Wünsche der Anfragenden ein und gestalten die Anlässe in offener Weise und zugleich aus unserer christlichen Grundhaltung heraus», sagt Andreas Heieck. Er hat in seinen 37 Amtsjahren selbst zahlreiche Ritualfeiern durchgeführt. So begleitete Heieck unter anderem eine Urnenumbettung. «Dafür gab es keine Vorgaben oder Handbücher. Ich musste selbst erarbeiten, wie man eine solche ‹Neubeisetzung› und zugleich Gedenkfeier für einen längst Verstorbenen macht.»
Ergänzendes Angebot
Das Angebot steht nicht in Konkurrenz zu den Dienstleistungen der Kirchgemeinden. Es ist vielmehr ein ergänzendes Angebot. «Manche Angebote auf der Website, die neu erscheinen, bieten Pfarrpersonen schon seit längerem. Nur waren sie bislang kaum bekannt.» Angeboten werden neben den «klassischen» Kasualien etwa Segensfeiern bei Lebensübergängen. Seit Jahren bereits beliebt sind Taufen, Trauungen und Abschiedsfeiern am Rhein. «Wir wenden uns einerseits an Menschen, die in der Kirche nicht mehr verankert sind und dennoch eine geistige oder spirituelle Begleitung suchen, andererseits an Kirchenmitglieder, die ein Angebot ausserhalb ihrer Kirchgemeinde suchen.»
In der Wahl des Ortes sind die Anfragenden frei. Das Ritual kann aber auch in der Kirche stattfinden. Ebenso darf die Form gemeinsam entwickelt werden. Die Verrechnung läuft über die Kantonalkirche. Die Pfarrperson erhält für jedes Ritual 600 Franken. Für die Anfragenden ist das Ritual gratis, wenn sie Mitglied einer Schaffhauser Kirchgemeinde sind. «Die Aufwände sind durch deren Kirchensteuern gedeckt», sagt Andreas Heieck. Ebenso muss für die Kirche nichts bezahlt werden, sollte diese genutzt werden. Nichtmitgliedern werden für Taufen, Segensfeiern und Abdankungen 900 Franken berechnet, für eine Hochzeit 1200. Zudem müssen die Kosten für die Kirche bezahlt werden, sollte diese genutzt werden. Kirchenmitglieder aus anderen Kantonen haben die Kosten ebenfalls zu bezahlen: «Denn wir arbeiten mit den Kirchensteuern, die uns durch die Schaffhauser Mitglieder zukommen.»
Projekt «Offenes Pfarramt» – Pilotphase für drei Jahre
An der Sommersynode im Juni ist geplant, die ersten Erfahrungen mit «accompagnato» zu kommunizieren. Andreas Heieck glaubt nicht, dass es im ersten Jahr einen grossen Ansturm geben wird. Das Angebot müsse sich erst etablieren. Und manche Anfrage werde auch abgelehnt, beispielsweise, so Andreas Heieck schmunzelnd, etwa Trauungen unter Wasser im Rhein. «Wir können nicht alles machen», sagt er. Und er ergänzt scherzhaft: «Das Unmögliche erledigen wir sofort, Wunder dauern etwas länger.»
Die Pilotphase dieses Projekts ist auf drei Jahre ausgelegt. Finanziert wird es vom Zukunftsfonds der Kantonalkirche und durch die Einnahmen der Nichtmitglieder. Andreas Heieck vermutet, dass nicht so viele Einnahmen von Nichtmitgliedern zusammenkommen, sodass alle Pfarrhonorare und die Infrastruktur finanziert werden können. «Für die Kirche ist es ein ‹positives Minusgeschäft›», so Heieck.
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