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Raumplanung braucht eine spirituelle Dimension

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01.11.2019
Viele Jahre hat Jürg Dietiker als Professor für Verkehr und Städtebau an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften sein Fachwissen weitergegeben. Seit seiner Pensionierung hat er eine neue Rolle.

«Wie schafft man Geborgenheit, Urbanität und Heimat?», ist eine der zentralen Fragen von Jürg Dietiker, studierter Ingenieur und emeritierter Professor für Verkehr und Städtebau. Die Antwort sei keine einfache und er habe sie noch nicht gefunden. Klar sei mittlerweile für ihn, dass man wegkommen müsse von den rein quantitativen Aspekten der Stadtplanung hin zu mehr lebensweltlicher Orientierung. Dies sei ihm mit dem Studiengang in Theologie und Religionsphilosophie bewusst geworden. «Ingenieure und Architekten schaffen die Lebenswelten nachfolgender Generationen. Deshalb sind die Weltbilder so wichtig, auf denen ihre Konzepte beruhen», sagt Dietiker.

In der Technik fehlt die Empathie
Dank dem Studiengang in Theologie und Religionsphilosophie seien Themen wie sakrale Struktur und Ethik in sein Denken eingeflossen. Das sei heute besonders wichtig, da es neue planungsethische Denkmodelle brauche und die Fähigkeit zur Empathie in der Technik zumeist fehle. In seinem Aufsatz über die Magie der sakralen Landschaft in der Surselva hat sich Dietiker mit den spirituellen Netzen befasst, die Menschen früher über diese Landschaft gelegt haben, um in einer unwirtlichen Welt Sicherheit, Verlässlichkeit und Geborgenheit zu finden.

Er kommt zum Schluss, dass eine Aufgabe von Raumplanung und Städtebau darin bestehe, diese Spuren unseres kollektiven Erbes zu finden, sichtbar und erlebbar zu machen. Gerade die Theologie könne damit wichtige Impulse zur Raumplanung der Zukunft beitragen. Der Autor Peter von Matt habe dies seiner Meinung nach mit folgendem Satz auf den Punkt gebracht: «Ein Land braucht Erinnerungen, so wie jeder Einzelne Erinnerung braucht. Wenn ich nicht weiss, woher ich komme, weiss ich nicht, wer ich bin.»

Sinn und Orientierung finden
«Mich interessieren grundsätzliche Fragen zum Menschen, zu seinen Lebenswelten, zu Kultur und Politik», erklärt Jürg Dietiker seine Motivation, warum er nach seiner Pensionierung den Studiengang in Theologie und Religionsphilosophie in Angriff genommen hat. Er findet es spannend zu lernen, welche Gedanken sich die Menschen in allen Kulturen gemacht haben, um sich die Welt und das Universum zu erklären, um Sinn und Orientierung zu finden. «Wir sind sterblich und sind es nicht so gerne», sagt Dietiker. Der Studiengang biete die Möglichkeit, sich mit dem Dilemma der eigenen Endlichkeit zu befassen und diese Fragen in der Gruppe zu diskutieren.

Den Studiengang absolvieren Leute im Alter von 35 bis 80 Jahren. Obwohl oder vielleicht gerade weil es eine grosse Altersspannweite bei den Teilnehmenden gebe, seien sowohl die Diskussionskultur als auch der Lernrahmen von Respekt und Wohlwollen geprägt, ergänzt Jürg Dietiker.

Der Mensch im Mittelpunkt
Da die Studierenden aus sehr unterschiedlichen Fachgebieten kommen, seien auch die Gruppenarbeiten Herausforderung und Glück zugleich. Er schätze die Zusammenarbeit mit den anderen Studierenden. So hätten sie zum Beispiel als 18-köpfige Gruppe im Zwingli-Jahr das Thema «Was fehlt, wenn Gott fehlt?» bearbeitet. Gemeinsame Reisen, beispielsweise nach Wittenberg, Ravenna oder Amsterdam, würden das Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe weiter stärken. «Der Studiengang erlaubt mir, meinen interdisziplinären Ansatz weiterzutreiben, um die Menschen und ihre Bedürfnisse bei der Raumplanung in den Mittelpunkt zu stellen», erklärt Dietiker.

Toni Schürmann, kirchenbote-online, 1. November 2019

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