Sandra Gold: Wo ist Gott?
Sandra Gold, wie haben Sie die Protagonistinnen für Ihren Film «Wo ist Gott?» gefunden?
Da ich eine grosse Motivation hatte und immer noch habe, mich mit Themen rund um Religionen, Spiritualität und Lebensweisen auseinanderzusetzen, war ich schon vorher mit Menschen vernetzt, die mich hinsichtlich möglicher Protagonisten beraten konnten. Darüber hinaus habe ich sehr viel recherchiert, mich intensiv mit Mystik befasst und dabei versucht, diese im Film auf den Boden zu bringen.
Manche Sequenzen mit den vier porträtierten Personen sind sehr intim. Hatten Sie nie das Gefühl, zu tief in die Seele dieser Menschen einzutauchen?
Meine Erfahrung aus 25 Jahren in der Filmbranche, aber vor allem meine Schauspielausbildung, haben mir geholfen, mit Menschen in eine Nähe zu kommen, ohne dabei meine eigene Haltung oder mich selbst zu verlieren. Sich selbst zu bleiben und gleichzeitig beim anderen zu sein, ist etwas, worauf in der Theaterarbeit grossen Wert gelegt wird. Man lernt, Unmittelbarkeit und Nähe zu erzeugen. Selbst wenn ich verschlossene Menschen vor der Kamera habe, gelingt es mir, in einen tiefen Kontakt zu kommen und gleichzeitig auf Augenhöhe zu bleiben. Selbstverständlich habe ich mit allen Protagonisten vor den Aufnahmen stundenlange Gespräche geführt. Beim Filmen selbst liess ich sie erst mal locker, weich werden, und ich liess sie das Vertrauen in die Kamera und die Gespräche finden. Alles, was geschah, beruhte auf Freiwilligkeit. Ich hatte das Glück, über viele Jahre eine Vertrauensbeziehung zu den vier porträtierten Personen aufbauen zu können. Bei den Dreharbeiten konnten wir uns aus der langen Beziehung heraus begegnen.
Wie lange haben Sie insgesamt an diesem Film gearbeitet?
Mehr als zehn Jahre. Für mich war es eine intensive Reise mit unglaublich breiter Recherche. Mehrmals habe ich das Drehbuch überarbeitet, weil ich während dieser Zeit innerlich mit dem Thema gewachsen bin. Es gibt ja eine Wechselwirkung bei der Gestaltung eines Dokumentarfilms – aufgrund der eigenen Entwicklung sowie des Austauschs mit den Protagonisten.
Der Film zeigt eindrückliche Bilder der Natur. Welche Bedeutung hat die Natur in Ihrem Leben?
Die Natur ist für mich etwas ganz Kostbares. Ich bin bis zu meinem 13. Lebensjahr sozusagen in der Natur aufgewachsen, bevor wir mit der Familie in eine grössere Stadt gezogen sind. Für diese naturverbundene Kindheit bin ich unendlich dankbar. Als Kinder waren wir täglich draussen. Ganz selbstverständlich habe ich die Natur quasi aufgesaugt. Ich habe gelernt, alle Jahreszeiten zu lieben. Die Natur gibt mir sehr viel Kraft und lässt mich staunen. Ich spüre die Schöpferkraft im Archaischen der Natur. Dank der Natur können wir mit uns selbst in die Tiefe kommen. Deswegen spielt die Natur in meinem Film eine zentrale Rolle.
Hat der Film Sie im Umgang mit sich selbst und anderen verändert?
Ja, das würde ich schon sagen. Durchdrungen von Ideen, Inhalten und Überzeugungen, bin ich in diesen Film gestartet. Durch die vielen Herausforderungen und die grosse Verantwortung für die ganze Produktion kam für mich im Laufe der Zeit viel mehr Boden in mein Leben. Also nicht, dass ich zuvor nicht auf dem Boden gestanden bin. Ich habe ja schon vorher freischaffend Dokumentationen produziert und Beiträge für das Bayerische Fernsehen realisiert, vor allem im Künstlerischen. Bei diesem Film musste ich mich mehr mit Kalkulationen und Finanzierungsplänen herumschlagen – ich bin ein bisschen praktischer geworden.
Filmvorführung und Regiegespräch
Der Dokumentarfilm «Wo ist Gott?» von 2022, der im Kino gezeigt wurde und im deutschen und im Schweizer Fernsehen lief, beschäftigt sich mit dem spirituellen Weg von vier Brückenbauerinnen aus Christentum, Judentum, Islam und Buddhismus. Porträtiert werden die Karmeliter-Nonne Veronika Elisabeth Schmitt, der in Basel geborene und seit 1984 in Jerusalem lebende Psychotherapeut Gabriel Strenger, der Sufi-Scheich Süleyman Wolf Bahn und die Zen-Meisterin Doris Zölls. Der Film erhielt am Filmfestival in Nizza den ersten Preis für den besten Schnitt.
Veranstaltung Forum für Zeitfragen und christlich-jüdische Projekte: Donnerstag, 7. November, 18 Uhr, Zwinglihaus, Gundeldingerstrasse 370, Basel. Eintritt frei, Kollekte. Im anschliessenden Gespräch mit der Regisseurin Sandra Gold werden Fragen zur Entstehungsgeschichte der Filmporträts sowie zur heutigen Relevanz spiritueller Praxis besprochen.
Sandra Gold: Wo ist Gott?