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«Schädelin verabscheute Moralapostel»

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02.03.2016
«Mein Name ist Eugen» heisst das legendäre Lausbuben-Buch des Berner Pfarrers Klaus Schädelin. Ab 5. März ist nun eine Musical-Fassung in Zürich zu sehen. Ein Probenbesuch und ein Gespräch mit Roman Riklin, dem Autor und Komponisten des Musicals.

Ein grauer Tag im Februar. In der Maag-Halle in Zürich wird täglich von 10 bis 18 Uhr «Mein Name ist Eugen» einstudiert. Auf dem Bühnenbild sieht man die Silhouette der Stadt Bern mit Münster, Bundeshaus und Kirchenfeldbrücke. Links oben schwingen drei Vögel ihre Flügel, und weisse Wolken ziehen über einen blauen Himmel.

Direkt vor der Bühne sitzen mit verschränkten Armen Roman Riklin, Regisseur Dominik Flaschka und Choreograph Jonathan Huor. Rund um sie Kaffeebecher, Mineralflaschen, Laptops, Probenpläne und Notenblätter. Immer wieder hält Huor das Ganze an und korrigiert, und die Schauspieler, die es nicht betrifft, stehen herum und murmeln. Proben sind eine ernsthafte Sache, das spürt man schnell, und Applaus gibt’s auch noch keinen.

 

Herr Riklin, wie haben Sies mit der Religion?
Roman Riklin: Ich bin ungläubig. Aufgewachsen und erzogen bin ich aber katholisch. Im weitesten Sinn lebe ich wohl sehr christlich, habe aber mit der Kirche nichts zu tun.

Hat die reformierte Kirche Humor?
Kann ich nicht beurteilen. Ich habe keine Berührungspunkte mit der reformierten Kirche. Die katholische Kirche habe ich als sehr humorlos und verstaubt erlebt. Sie gibt meiner Meinung nach mehr Anlass für Witze, weil sie so rückständig und konservativ ist. Im Kabarett nimmt man daher eher die katholische Kirche aufs Korn.

Klaus Schädelin war reformierter Pfarrer. Merken Sie das dem Buch an?
Überhaupt nicht. Schädelin verabscheute offensichtlich Moral und Moralapostel. Mit dem antiautoritären Ansatz war er der Zeit voraus und provozierte. In St. Gallen hat man in den 50er-Jahren das Buch nicht in die Stadtbibliothek aufgenommen, weil man es als Schund betrachtete, der die Jugend verdarb.

Aber die vier Freunde verkörpern im Buch schon eine Moral?
Klar, die Freundschaft spielt eine wichtige Rolle. Aber ich empfinde das Buch nicht als moralisch. Eine Geschichte transportiert immer Werte, so auch «Mein Name ist Eugen». Und das machen ja auch Religionen so: Sie transportieren ihre Werte mit Geschichten.

 

«Das sind die Stop-and-go-Proben», kommentiert Christoph Fischer, der Bassist der Band, während einer Pause, «man probt immer wieder die gleichen Szenen». Die Band steckt unter der Bühne in einer Art Orchestergraben. «Danach kommen die Durchlaufproben und schliesslich die Hauptprobe», fügt Fischer an, bevor er sich draussen eine Zigarette gönnt. Ein Bühnentechniker erläutert unterdessen dem Schlagzeuger, dass er zu laut spiele. «Wir bauen noch einen Schalldeckel.» - «Einen Deckel? Sehe ich dann noch etwas?»

Der Bassist ist wieder da, und jetzt wird jene Szene geprobt, in der die vier Freunde Fritzli Bühler, den «König der Lausbuben», in Zürich finden. Mit Rauch und Feuer fährt er mit einem aufgemotzten Töff vor, der sogleich auseinanderfällt. «Ich bin freischaffender Konstrukteur von Mondraketen, protzt Bühler, und den vier Buben entfährt ein «Boah!»

 

Herr Riklin, in Ihrer Adaption spielt das Erwachsenwerden eine grosse Rolle.
Richtig. Das Buch ist kein Roman mit einem roten Faden. Es ist eher eine lustige Episoden-Sammlung in recht loser Reihenfolge. Für die Bühnenadaption ist eine stringente Dramaturgie unabdingbar. Im Buch wird am Schluss angetönt, dass die Lausbuben älter geworden sind. Im Musical ist das viel expliziter. Wir erzählen «Eugen» als die Geschichte des Erwachsenwerdens.

Sie sind auch Cellist bei der Kabarett-Combo «Heinz de Specht».
Ja, vom Cello komme ich her.

Aber Sie spielen auch Ukulele und Gitarre.
Ich spiele sehr viele Instrumente gern, dafür keines richtig gut.

Täusche ich mich, oder findet man den anarchischen Eugen-Humor auch bei «Heinz de Specht»?
Eine schöne Vorstellung: Wenn Eugen erwachsen ist, macht er seine Streiche bei «Heinz de Specht».

 

Die vier Lausbuben proben nun den Auftritt der «Fritzli Bühler»-Band. «Du blibsch e Luusbueb für immer», singt der Chor. Eugen mit der E-Gitarre ist fast eine Art Berner Hendrix, und auch Wrigely hat den Bass im Griff, während Bäschteli fast ein bisschen hinter dem Schlagzeug verschwindet. Kurz vorher hat man den Lausbuben Eduard gesehen, wie er sich plötzlich mehr für ein Mädchen als für Streiche interessiert.

Kulissen werden hin- und hergeschoben, und nun ist die Schlussszene an der Reihe. Die Darsteller laufen mit bunten Drachen über die Bühne und singen «de Luuscheibe i üs drin wei mir geng e Chance gä u bi jed're Chüssischlacht derby sy!» Fritzli Bühler sagt später zu Eugen: «Es het sech glohnt!» - «Was?» - «A myni Tröum z'gloube. Du wirsch es gseh. Machs guet, Eugen! Pass uf, dass ds Füürli nie usgeit u la dyni Tröim la flüge.» Bühler fliegt mit einem Velo quer über die Bühne davon.

 

Herr Riklin, wie viele Male haben Sie das Buch «Mein Name ist Eugen» gelesen?
Etwa fünf Mal, dazu einmal in meiner Jugend. Ich habe mehrere Exemplare. Eines ist komplett zerlesen und voller Notizen.

Was sagen Sie zum Film von Michael Steiner, der 2005 im Kino lief?
Den Film habe ich während der Arbeit am Musical bewusst nicht geschaut. Unsere Bühnenversion orientiert sich ausschliesslich am Buch. Mir war es sehr wichtig, dass die Geschichte aus der Perspektive des 13-jährigen Eugen erzählt wird und die Erwachsenen nur Teil der Geschichte der Kinder sind.

Deshalb sind die Erwachsenen im Musical Puppen?
Ja, die Erwachsenen werden von Puppen verkörpert. Sie sind keine psychologisierten Figuren, sondern als Projektionsflächen der Kinder dargestellt. Eigentlich alles kleine durchgeknallte Monster.

Welche Figur wären Sie im Musical? Bäschteli?
Der Brave? Ich hoffe nicht. Ich will ein «Wrigley» sein. Er hat die dummen Ideen.

 

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Matthias Böhni / ref.ch / 2. März 2016

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