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20 Jahre Meditationskreise in den Schaffhauser Stadtkirchen

Sehnsucht nach der grossen Stille

von Adriana Di Cesare-Schneider
min
25.02.2023
Seit 20 Jahren leitet Ruedi Waldvogel das «Sitzen in der Stille» in Schaffhausen mit. Die Kraft der Stille fas­ziniert ihn noch immer.

Der pensionierte Pfarrer Ruedi Waldvogel hat das «Sitzen in der Stille» vor zwanzig Jahren aus Herblingen in die Schaffhauser Stadtkirchen eingebracht. Seither kann man am Mittwochabend im Münster und am Dienstagmorgen im St. Johann üben, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Willkommen sind Menschen, die ihren Glauben vertiefen möchten oder auf der Suche nach einem spirituellen Weg sind, mit oder ohne Meditationserfahrung.


Jenseits der Sprache

«Sitzen in der Stille» bedeutet Meditation, die auf Kontemplation und Zen gründet. Kontemplation ist ein geistiges Sichversenken im Sinne einer inneren Sammlung und stammt aus der Tradition der christlichen Mystik. Zen ist das absichtslose Sitzen in der Stille nach der auf Buddha zurückgehenden Tradition aus dem Osten. Meditation wurde schon seit Jahrhunderten in christlichen und buddhistischen Klöstern gepflegt und geht auf die Erfahrungen von Jesus in der Wüste und von Buddha unter dem Bodhi-Baum zurück.

«Unser ‹Sitzen in der Stille› ist weder an ein religiöses noch an ein konfessionelles Bekenntnis gebunden», erklärt der ausgebildete Kontemplationslehrer. Sein persönlicher Weg in die Stille begann mit den Exerzitien von Ignatius von Loyola und führte ihn schliesslich zur gegenstandslosen Kontemplation in der Tradition der christlichen Mystik. «Mich hat schon immer fasziniert, dass hinter allem Reden und Tun etwas viel Grösseres steckt, das man nicht ausdrücken, aber in sich erfahren kann.»


Wie ein Anker im Meer

Die Meditationsrunden im Münster beginnen mit einer Verneigung. «Das ist eine Reverenz an die Gruppe und an den Kirchenraum, der uns alle birgt. Und an alle Menschen, die wie wir spirituell auf der Suche sind.» Auf dem Boden bilden rote Matten einen grossen Kreis. Auf ihnen richten sich die Teilnehmenden, auf einer Medita­tions­bank, einem Hocker oder einem Kissen sitzend, mit Blick nach aussen aus. «Die Augen bleiben offen, ohne etwas Bestimmtes anzusehen. Wir praktizieren das innere Schweigen ohne Meditationstext.» Das dreimalige Ertönen der Klangschale führt in die absolute Stille. Für die folgende Stunde wird das Münster zum Ort der Ruhe. Rund zehn Personen kommen regelmässig zur Meditation ins Münster, die aus 25 Minuten Sitzen, 5 Minuten schweigendem Gehen und nochmals 25 Minuten Sitzen besteht. Die jüngsten sind mittleren Alters. «Die innere Ruhe, die wir hier üben, hilft, den hektischen Alltag und auch die aktuelle Weltsituation gelassener zu bewältigen», so der Pfarrer.

Es sei zunächst schwer, im Hier und Jetzt anzukommen. «Sobald wir ruhig werden, stürmen Emotionen, Bilder und Gedanken an Unerledigtes auf uns ein.» Es gehe darum, diesen Ansturm zu akzeptieren, ohne ihn zu bekämpfen. «Diese Bilder sind zwar da, aber wir beschäftigen uns in diesem Moment bewusst nicht mit ihnen.» Über eine längere Zeit der Meditationspraxis lasse der innere Sturm nach. «Wir können dann eine wohltuende innere Ruhe erleben. Christliche Mystiker und Mystikerinnen wie Meister Eckhart oder Teresa von Ávila beschrieben sie als ‹Einbruch des Göttlichen im Menschen› oder ‹als Gebet der Ruhe›. Ich erlebe sie als unaussprechliche Tiefe, die uns nährt und mit Gott verbindet.»
Wesentlich sei die Langzeitwirkung der Meditation, die sich bei einigen schnell und bei anderen erst nach Jahren zeige. «Sie ist wie ein Anker im Ozean. Er durchdringt die tiefen Schichten des Meeres dort, wo es immer ruhig ist, auch wenn die obersten Schichten von Stürmen aufgewühlt sind. Wir können diesen Anker immer wieder senken und so ruhig werden.» Die Idee sei, durch das «Sitzen in der Stille» die Praxis zu Hause zu unterstützen und zu ergänzen. «Bereits eine Viertelstunde meditieren am Morgen hilft, sich zu verankern, um nicht in den Tag hineinzustolpern.»

Googelt man nach Meditationsangeboten in Schaffhausen, erscheinen diverse. Das «Sitzen in der Stille» kommt nicht an oberster Stelle. Trotzdem hebt es sich von anderen Angeboten ab. «Es ist nicht kommerziell, niemand verdient etwas daran. Erfahrene Freiwillige leiten abwechselnd die Meditationsrunden», so Ruedi Waldvogel. Einzigartig sei auch der Ort. «Wir meditieren in Kirchen, die seit Jahrhunderten spirituelle Kraft ausstrahlen, während draussen die Stadt brandet.»

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