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Klinik Zugersee

Selbsthilfegruppen vertiefen Verständnis von psychischen Erkrankungen

von Carole Bolliger
min
30.01.2025
Die Kinik Zugersee wurde Anfang Jahr mit dem Label «selbsthilfefreundliche Klinik» ausgezeichnet. Was das für die Klinik heisst und welche Überraschungen im Prozess auftraten, erzählt Chefarzt Michael Rufer.

Michael Rufer, lange haben Sie darauf hingearbeitet. Nun haben Sie die Zertifizierung «selbsthilfefreundliche Klinik» erhalten. Was bedeutet das für die Klinik Zugersee?

Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung. Sie zeigt, dass wir unseren Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen die wichtigen Angebote der Selbsthilfegruppen nun ein ganzes Stück näher gebracht haben. Zugleich denke ich, dass eine solche Auszeichnung dazu beiträgt, das Vertrauen der Betroffenen in die Klinik zu stärken. Die Klinik kann damit ihre Haltung zeigen, Patientinnen und Patienten auf Augenhöhe zu begegnen und ihre Ressourcen und Kompetenzen zur Selbsthilfe einzubeziehen.

Und Ihnen persönlich?

Mir persönlich bedeutet die Auszeichnung viel, zum einen, weil ich natürlich eng mit der Klinik verbunden bin, und zum anderen, weil ich mich nun seit etwa 25 Jahren für die Förderung von Selbsthilfe engagiere. Die Teilnahme an Selbsthilfegruppen und Trialogen hat mich in meinem Verständnis von Menschen mit psychischen Erkrankungen, ihren belastenden Lebensumständen und ihren Stärken und Fähigkeiten, «trotz allem» etwas zu erreichen, sehr geprägt. Ich habe erlebt, wie wichtig solche Gruppen für die sozialen Kontakte und die gegenseitige Unterstützung sind.

Welche Massnahmen mussten umgesetzt werden, um diese Zertifizierung zu erhalten?

Zwei wichtige Kriterien waren, dass die Präsentation der Selbsthilfe deutlich stärker als bisher ermöglicht wird und dass auf verschiedenen Ebenen systematisch über Selbsthilfeangebote informiert wird. Bereits im Eingangsbereich der Klinik können Sie auf den ersten Blick eine der umgesetzten Massnahmen sehen: Dort steht eine grosse Pappfigur, die auf Selbsthilfemöglichkeiten hinweist, direkt neben ihr sind auf einem Gestell Informationen zu den Selbsthilfezentren und Selbsthilfegruppen der Kantone Uri, Schwyz und Zug zu finden. Zudem werden auf dem Bildschirm beim Eingangsbereich Informationen zur Selbsthilfe eingeblendet.

An weiteren Orten in der Klinik findet man Informationsmaterialien, beispielsweise auf den Stationen und im Eingangsbereich zum Sozialdienst. Ausserdem werden zusammen mit den Selbsthilfezentren und -gruppen regelmässige Informations- und Beratungsanlässe in der Klinik durchgeführt. Ein weiteres Kriterium war, dass von Seiten der Klinik eine Ansprechperson für Selbsthilfe existiert.

 

Triangel Beratung Zug

Die Triangel Beratung koordiniert und unterstützt die Selbsthilfegruppen im Kanton Zug. «Für viele Klientinnen und Klienten sind Selbsthilfegruppen eine wichtige Unterstützung», weiss Sonya Albrecht. Sie ist Psychotherapeutin und Beraterin bei der Triangel Beratung Zug, die ein Angebot der Reformierten Kirche des Kantons Zug ist. Ein Austausch mit Gleichgesinnten, sich nicht allein fühlen – Selbsthilfeangebote für Betroffene und Angehörige sind wertvoll.

www.triangel-zug.ch

 

Gab es Überraschungen im Prozess der Zertifizierung?

Eine in dem Ausmass unerwartet positive Erfahrung ergab sich aus dem Einbezug von Selbsthilfegruppen in unsere internen Weiterbildungen. Dies war eine Massnahme, um die Partizipation von Selbsthilfegruppen zu ermöglichen. Alle drei gemeinsamen Weiterbildungen, die wir im letzten Jahr durchführten, waren für uns sehr bewegend und lehrreich. Das heisst, der Einbezug von Selbsthilfegruppen hat unser Verständnis für Menschen mit psychischen Krankheiten und ihre Angehörigen vertieft und erweitert. Das kommt hoffentlich anderen Betroffenen und Angehörigen zugute, da sie auf kompetentere und verständnisvollere Fachpersonen treffen.

Wie sehen Sie die langfristigen Auswirkungen dieser Zertifizierung auf die Klinik und ihre Patienten?

Die Zertifizierung motiviert uns, die begonnenen Massnahmen weiter konsequent umzusetzen. Beispielsweise würden wir gerne noch stärker Rückmmeldungen von unseren Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen einholen, wie sie unsere Bemühungen zur Stärkung der Selbsthilfe erleben und welche Ideen sie haben, wie wir uns verbessern können. Insgesamt bin ich optimistisch, dass die Auswirkungen nachhaltig sind. Die Zusammenarbeit mit den Selbsthilfezentren und -gruppen ist hervorragend und alle Beteiligten sehen den Nutzen des Projekts. Das trägt dazu bei, dass alle überzeugt sind, etwas Sinnvolles zu tun. Bekanntlich ist das ein wichtiger Faktor für nachhaltige Veränderungen.

 

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