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«Solch heftige Kritik habe ich nicht erwartet»

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08.03.2017
Mit Christiane Faschon wurde 2007 erstmals eine katholische Frau Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK.CH). Im August wird Faschon pensioniert. Im Interview spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln, Hochs und Tiefs in der Ökumene und die umstrittene Segnung des Gotthard-Basistunnels.

Frau Faschon, Sie waren die erste Katholikin, die Generalsekretärin der AGCK.CH wurde. Wie erinnern Sie sich an Ihren Arbeitsbeginn vor zehn Jahren?
Ich wurde sehr positiv aufgenommen. Bei der Einstellung wurde mir gesagt, dass ich bei offiziellen Anlässen einen Rock tragen solle aus Respekt vor den Traditionen einiger Mitgliedkirchen. Das war für mich kein Problem, das Ziel der Arbeit ist wichtiger als Äusserlichkeiten. Ausserdem reichen einige orthodoxe Bischöfe Frauen nicht die Hand. Auch das akzeptiere ich. Vor einem öffentlichen Treffen mit dem Patriarchen der syrisch-orthodoxen Kirche habe ich daher angerufen, um zu fragen, ob er mir die Hand geben würde, damit es nicht peinlich werden würde. Er war da aber sehr unkompliziert.

Ökumene ist häufig ein schwieriges Unterfangen – was waren denn die Knacknüsse während Ihrer Amtszeit?
Bei gewissen ethischen Themen können sich nicht alle Kirchen finden. Zum Beispiel wenn es um Homosexualität geht oder um Fragen rund um Lebensanfang und -ende. Auch beim gemeinsamen Abendmahl fehlen wichtige Schritte. Aber in anderen Fragen wie zum Beispiel dem Klimaschutz und dem Schutz des Sonntages sind sich alle einig. Die positiven Schritte wie etwa die Taufanerkennung 2014 werden indes oft nicht öffentlich wahrgenommen. Wichtig ist, dass wir im Dialog bleiben.

Wie sehen Sie die Zukunft der Ökumene?
Wir leben einerseits in einer Zeit der Säkularisierung. Es gibt weniger Ressourcen für die einzelnen Kirchen. Andererseits haben die Kirchen 2001 die Charta Oecumenica unterzeichnet und sich damit zu mehr Zusammenarbeit verpflichtet. Hinzu kommt, dass die kleineren Mitgliedkirchen die Unterstützung der grossen brauchen. So hat die AGCK.CH die syrisch-orthodoxe Kirche, eine Migrationskirche, aufgenommen. Damit erhält diese Kirche hier eine Stimme. Ausserdem sucht der Bund vermehrt eine einzige Vertretung der christlichen Kirchen, zum Beispiel bei Fragen zu Palliative Care oder Migration. Hier ist die AGCK.CH gefragt.

Die AGCK.CH wurde vom Bund beauftragt, eine interreligiöse Feier zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Juni 2016 vorzubereiten. Dass dann ein Vertreter der katholischen Kirche, nicht aber der Reformierten an der Segnung teilnehmen sollte, führte zu heftiger Kritik. Ein Tiefpunkt der Ökumene in der Schweiz?
Religion ist oft eine emotionale Angelegenheit, und das kam bei dieser Gelegenheit zu Tage. Ich erhielt im Vorfeld viele Anrufe. Einige Menschen waren enttäuscht, dass keine Frau und/oder kein Reformierter für die Feier vorgesehen waren. Andere waren entsetzt über den Stil der Reaktionen: von hohen Kirchen-Vertretern, von Politikern und Journalisten. Andere riefen an, weil man «kein Loch im Berg» segnen könne.

War der Aufruhr schwierig für Sie?
Ich habe die heftige Kritik nicht erwartet. Die AGCK.CH war zwar Ansprechpartnerin für den Bund. Aber eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Religionen hat dann die Segnung vorbereitet. Erstaunlich fand ich, dass es emotional derart ausgeartet ist. Ich dachte, die Phase, wo man sich gegenseitig solche «Schlötterli» anhängt, sei vorbei. Der Präsident der AGCK.CH, Bischof Rein, sagte danach, die Christen hätten sich blamiert.

Nach zehn Jahren im Amt gehen Sie nun im August in Pension. Welche Pläne haben Sie für die Zeit danach?
Ich arbeite derzeit an einer Studie über Christen und deren Nachkommen, die wegen ihrer jüdischen Herkunft unter die Nazi-Rassengesetze fielen. Das werde ich auch weiterhin tun, denn ich möchte dieser Gruppe eine Stimme geben. Das ist ein schwieriges Thema, weil die Kirchen diese Menschen während des Zweiten Weltkriegs oft im Stich gelassen haben. Wie wenig Anerkennung das Thema auch heute noch findet, zeigt sich unter anderem daran, dass ich nur eine einzige Stiftung finden konnte, die das Projekt finanziell unterstützt.

Und welche Pläne haben Sie privat?
Ich werde so lange wie möglich meine neunzigjährige Mutter pflegen, und ich habe zwei erwachsene Kinder und zwei Enkel, mit denen ich gerne Zeit verbringe. Auch plane ich, mich für Flüchtlinge zu engagieren. Mein Vater ist letztes Jahr verstorben und das Trauma seiner Familiengeschichte hat ihn ein Leben lang verfolgt (siehe unten). Deswegen weiss ich, wie wichtig das respektvolle Zusammenleben von Menschen ist.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für die Zukunft der christlichen Kirchen – was wäre das?
In ganz Europa nimmt die rechte Bewegung mit Tendenzen zu Homophobie, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Diskriminierung der Frauen zu. Auch innerhalb den Kirchen gibt es Beispiele dafür. Ich würde mir wünschen, dass die Kirchen dezidiert gegen Hass vorgehen und sich für die Menschenrechte einsetzen, die ich als Ausdruck christlicher Werte sehe. Wenn Religion hingegen zur Abgrenzung beiträgt, ist das beängstigend.

Nathalie Dürmüller / ref.ch / 7. März 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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