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«Sowas wie ein Drogenrausch»

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30.10.2016
Im Berner Münster wird vom 29. Oktober bis zum 2. November die neu überarbeitete Luther-Bibel nonstop gelesen. Fünf Tage und vier Nächte lang Luther-Texte live. Ein Probenbesuch im Münster.

Es ist kühl im Münster und etwas düster. Das Herbstlicht kämpft sich tapfer durch die Kirchenfenster und erhellt nur schwach den Chor, vor dem ein riesiges Baugerüst aufgestellt ist. Von Wand zu Wand und bis weit hinauf zur Decke reichen die Eisenstangen. Seit Monaten werden hier Renovationsarbeiten ausgeführt. Marianne Oertel steht im Mittelgang und blickt nach oben zu Stefan Schönholzer, einem der Schauspielstudierenden, der in schwindelerregender Höhe auf dem Gerüst steht und liest. Oertel ist Sprechdozentin an der Hochschule der Künste HKB und eine der Mitinitiantinnen der Non-Stop-Bibellesung, die als Koproduktion mit dem Berner Münster stattfindet.

Druckfrisch
Rund fünfzig Sprecherinnen und Sprecher lesen aus der druckfrischen Neuausgabe der Lutherbibel, die zum bevorstehenden Reformationsjubiläum erscheint und seit kurzem im Buchhandel erhältlich ist. «Der ganze Studienbereich Theater der HKB macht mit», erklärt Marianne Oertel. Neben den Studierenden auch die Dozentinnen und Dozenten, der Studienleiter Wolfram Heberle und Mitarbeitende aus dem Sekretariat. «Wir haben den Text aufgeteilt und 247 Einheiten daraus gemacht, eine Einheit dauert jeweils dreissig Minuten. So gibt es pro Lesenden einen bis fünf Einsätze während der rund fünf Tage, je nachdem, wieviel jemand lesen will oder kann.»

Rauschhaft
124 Stunden lang, Tag und Nacht, ohne Unterbruch wird also Luthers Text im Münster zu hören sein. Die Performance beginnt am Samstag um 17.30 Uhr mit einer Vesper und ab da steht immer jemand oben auf dem Baugerüst und liest. Am Sonntagmorgen findet wie üblich der Gottesdienst statt. «Das wird spannend», meint der Student, der eben noch hoch oben über den Kirchenbänken gelesen hat. «Eine krasse Erfahrung, nachts allein im Münster mit meiner Stimme und dem alten Text den riesigen Raum füllen. Das wird so etwas wie ein Drogenrausch.»

Anspruchsvoll
Die Sprache Luthers sei anspruchsvoll, erklärt die Sprecherzieherin Marianne Oertel. «Der Text ist oft schwer verständlich und muss gut vorbereitet werden. Je nachdem, was für eine Textgattung es ist, ob Brief, Erzählung, Stammbaum oder was auch immer, muss er auch anders gelesen werden.» Um Verständnisfragen zu klären, gebe es auch eine Kooperation mit Studierenden der Theologischen Fakultät der Universität Bern: Sie liefern den historischen Kontext und recherchieren die Aussprache von schwierigen Namen. «Da sind wir sehr froh drum, denn die Arbeit am Text und die Artikulation am Mikrofon wird noch ein gutes Stück Arbeit geben.»

Katharina Kilchenmann / reformiert. / 29. Oktober 2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Performance im Berner Münster: fünf Tage Nonstop-Bibel-Lesung, ab Samstag, 29. Oktober, 17.30 Uhr, bis Mittwoch, 2. November, eine Kooperation des Berner Münsters und der Hochschule der Künste Bern HKB Studienbereich Theater. Eintritt frei.

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