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Spirituelle Wege sind Trend

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08.07.2022
Wunderschön und gut für die Seele: Immer mehr Menschen entdecken die Kraft der spirituellen Pfade durch die Schweiz. In den letzten Jahren sind etliche neue Wege entstanden.

Winzige Luftakrobaten schwirren über die frisch gemähte Bergwiese, der Wind trägt sanft die Wellen ans Seeufer und am Abendhorizont ziehen leuchtende Wolken über die Bergspitzen. Die Schweiz ist bekannt für ihre Schönheit und Wanderwege. In den letzten Jahren tauchte ein neuer Trend auf: In zahlreichen Regionen entstanden spirituelle Wege, auf denen man sich auf historischen Pfaden ein Stück Kirchengeschichte erwandert.

Zum Trend beigetragen hat Norbert Bischofberger. «Das Glück liegt in der Schweiz vor jeder Haustüre», ist der Redaktor beim Schweizer Fernsehen überzeugt. Mit seiner Sendung «Spirituelle Wege der Schweiz» bringt er Wind und Wetter, Klosterbrüder und Kräuterfrauen und eine Prise Spiritualität ins Wohnzimmer. Der Erfolg seiner Sendung spiegelt die wachsende Sehnsucht nach Natur, Wandern und Beschäftigung mit Sinnfragen wider.

Gegenwelt zur Alltagshektik
Für Heinz Keller, Schweiz Tourismus, hat die Corona-Pandemie die Zeit hektischer und unberechenbarer gemacht. Da sei es nicht verwunderlich, dass die Menschen eine Gegenwelt zum Arbeitsalltag suchen, einen Ort, an dem sie zu sich kommen können. «Spirituelle Wege sind im Trend. Auf unserer Homepage von Schweiz Tourismus werden Inhalte über Sakralwelten wie etwa den Kappellenweg in der Zentralschweiz häufiger angeklickt als die neue Sommerrodelbahn mit 360-Grad-Kreisel.»

Michael Schaar, ehemaliger Pilgerpfarrer vom Pilgerzentrum St. Jakob, kennt den positiven Effekt von Pilgerreisen: «Beim Gehen nimmt man mit der Zeit vieles bewusster wahr. Die Stille in der Natur, den Geruch des Waldes und der Wiesen, die verschiedenen Farbtöne des Grüns oder das Zwitschern der Vögel.»

Manche Menschen machen sich auf eine Pilgerreise, wenn sie an einem Wendepunkt in ihrem Lebens stehen, so die Erfahrung von Schaar. Sie erhoffen sich Klärung nach einer Ausbildung, einer Trennung oder dem Tod eines geliebten Menschen. Für Schaar ergänzt sich die Suche nach Spiritualität mit derjenigen nach sich selbst: «Pilgernde suchen sich auf ihrem Weg meist selbst und können dabei Gott finden. Oder sie suchen Gott und finden sich selbst. Der Weg kann einen verwandeln und zum Sinnbild für den eigenen Lebensweg werden.»

Historische Pfade
Die Schweiz kennt verschiedene spirituelle Wege. Als Teil des europäischen Jakobswegs führt die ViaJacobi dem Alpenfuss entlang vom Bodensee nach Genf. Sie verkörpert eine der wichtigsten spirituellen Traditionen Europas – die Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. Auf dem Hugenottenweg von Genf über Bern nach Schaffhausen kann man den Spuren von französischen Glaubensflüchtlingen aus dem 17. Jahrhundert folgen. Informationstafeln auf dem Täuferweg von Schleitheim nach Merishausen berichten über die Verfolgung der Wiedertäufer während der Reformationszeit. Niemand ahnte, dass mitten in den Wäldern des Kantons Schaffhausen eine neue Konfession entstand, die sich später in der ganzen Welt verbreitete. Und der Luzerner Kapellenweg, teils römischen Ursprungs, verbindet nicht weniger als 17 Kirchen und Kapellen auf der 21 Kilometer lange Route von Hellbühl bis Ettiswil.

Nur das Heute zählt
«Die schönsten Momente sind die Unerwarteten», ist Lars Kottman überzeugt. Kottmann ist begeisterter Pilger, der den 2500 Kilometer langen Jakobsweg von Basel nach Santiago de Compostela zurückgelegt hat. Das Schönste am Pilgern sei, dass nur das Heute zählt. «All der Lärm, die Komplexität und das Tempo der modernen Welt machen einem inneren Raum Platz.» Mit den spirituellen Momenten verhält es sich nach seiner Erfahrung ähnlich überraschend. «Oft stolpern sie einem über den Weg, passieren einfach.» Für Kottmann kann dies eine magische Atmosphäre sein, wie er sie im Tal der Klause des Einsiedlers Niklaus von Flüe erlebt hatte. «Solche Orte bergen eine spirituelle Dichte und eine unerklärliche Ruhe, die es erlaubt, die eigenen Batterien aufzutanken.»

Die Schweiz sei reich an spirituellen Wurzeln mit ihren Kirchen, Klöstern oder Orten wie Flüeli Ranft. Nicht zuletzt wohnen die Spiritualität und die Frage nach dem Sinn des Lebens und nach dem Grösseren in jedem Menschen, ist Kottmann überzeugt. Voraussetzungen, um den Weg unter die Füsse zu nehmen, brauche es keine. Kottmann rät: «Geh einfach mal einen Tag. Gib dem Weg eine Chance. Erlaube dem Wind, der durch dein Haar streicht, der Blumenwiese und den Sonnenstrahlen auf deiner Haut eine Begegnung mit deiner Seele. Vielleicht tut sich dabei sogar ein Tor zur Spiritualität auf. Ein wenig Offenheit genügt!»

Platz für Sinnfragen
«In der Stille der Natur stellen sich den Leuten Sinnfragen, die sonst keinen Platz haben», ist Heinz Keller überzeugt. «Mein Favorit ist die Etappe Schwarzenburg-Fribourg. Nach einem letzten Blick auf die Berner Alpen taucht man in das Naturwunder der Senseschlucht ab, ein Reich voller Sehenswürdigkeiten.» Die Route führe durch unberührte Voralpenlandschaft und liege nicht umsonst zu einem grossen Teil im Naturpark Gantrisch. «Am Ziel der Tagesetappe leuchten einem als krönender Abschluss von Weitem die Fenster der Kathedrale der Altstadt Fribourg entgegen.»

Michael Schäppi, kirchenbote-online

Der Kirchenbote stellt in seiner Sommerserie in den kommenden Wochen die wichtigsten spirituellen Wege der Schweiz vor.

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