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Steuerumgehung geht mit USR III weiter – Für Heks kein Thema

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19.01.2017
Die Unternehmenssteuerreform III schafft weiterhin Schlupflöcher, um unversteuerte Gewinne aus den Entwicklungsländern an in der Schweiz domizilierte Unternehmen zu überweisen. Davon ist Alliance Sud überzeugt.

Kompliziert und komplex – das sind die Attribute, die der Unternehmenssteuerreform (USR) III, die am 12. Februar zur Abstimmung kommt, fast in jedem Zeitungsartikel angehängt werden. Dominik Gross, finanzpolitischer Experte des entwicklungspolitischen Thinktanks Alliance Sud, kennt das sperrige Vokabular. Begriffe wie «Patentbox», «Forschungsabzüge» und «zinsbereinigte Gewinnsteuer» sind ihm wohlvertraut. Und er analysiert auch die Konsequenzen, die diese neuen Steueroptimierungswerkzeuge für die Entwicklungsländer bedeuten. Seine Aufgabe ist es, zu prüfen, ob mit dem neuen Steuerreformpaket die Schweiz endlich das Negativ-Image des Steuerparadieses abschütteln kann.

Schweiz: Beliebtes Steuerparadies
Bisher machte die Schweiz auf internationalem Parkett keine gute Figur. Erst jüngst landete die Eidgenossenschaft im Ranking der britischen Entwicklungsorganisation Oxfam auf Platz vier aller Steueroasen rund um den Globus. Und dies wird nach Meinung von Gross so bleiben, falls die Reform an der Urne nicht doch noch abgelehnt werden sollte: «Mit der USR III wird es dabei bleiben: Für Finanzstrategen und Steueroptimierer der internationalen Konzerne bietet die neue Reform genug Schlupflöcher, um Gewinne, die im Süden gemacht werden, weiterhin unversteuert in die steuergünstige Schweiz zu transferieren.»

Gross nennt ein Beispiel der «alten Schule», neue gibt es auch wegen der Intransparenz von Bund und Unternehmen in diesen Fragen nicht. Der internationale Rohstoffriese Glencore mit Firmensitz in Baar, Kanton Zug, stellte zwischen 2001 und 2012 seiner Tochterfirma, einer Kupfermine in Sambia, überhöhte Rechnungen für hausinterne buchhalterische Arbeiten aus. So tendierte der Gewinn der Tochtergesellschaft im Entwicklungsland zum Schluss gegen Null.

Dank solcher Tricks in den verschiedenen Steueroasen rund um den Globus entgehen nach Berechnung des Internationalen Währungsfonds (IWF) den Ländern des Südens jährlich über 200 Milliarden Dollar Steuern weltweit.

Die Schweiz ist für Umgehungskonstrukte bisher besonders attraktiv. Im internationalen Steuerwettbewerb köderten viele Kantone transnationale Multis und Briefkastenfirmen mit einem Ministeuersatz auf ihre Gewinne, sofern diese vor allem im Ausland angefallen sind. Diese ethisch nicht haltbare Steuerpolitik war ursprünglich der Anstoss für die Reform. Denn die OECD-Regeln erlauben keine steuerliche Ungleichbehandlung, die ausländische Gesellschaften gegenüber inländischen Unternehmen privilegieren.

Wundertüte Patentbox
«Nun haben die Bundesverwaltung und das Parlament unter Einbezug von Treuhandgesellschaften ein Reformwerk geschaffen, das alte Steuervermeidungsinstrumente durch neue ersetzt und damit Steuerungerechtigkeiten am Leben erhält», ist das harsche Urteil von Gross. Mit der neu geschaffenen Patentbox könne nun der Nutzen von Patenten aus dem Mutterhaus zu überhöhten Kosten den Auslandstöchtern in Rechnung gestellt werden und die ausländischen Gewinne aus diesen immateriellen Gütern so in die steuergünstige Box in einem Schweizer Kanton hineingerechnet werden. Damit schmälert sich der in den Entwicklungsländern zu versteuernde Gewinn. Auch speziell entwickelte Software und anderes rechtfertigen spezielle Forschungsabzüge.

Ganz kompliziert ist es mit der zinsbereinigten Gewinnsteuer (NID). Damit können Unternehmen fiktive Zinserträge auf ihrem überschüssigen Eigenkapital vom zu versteuernden Gewinn abgezogen werden. Der entsprechende Zinssatz richtet sich dabei normalerweise nach dem Leitzins der Schweizer Nationalbank, der zurzeit negativ ist.

Unter diesen Umständen bliebe die NID wirkungslos. Nicht jedoch, wenn ein Konzernhauptsitz in der Schweiz überschüssiges Eigenkapital als internes Darlehen an eine Auslandstochter verleiht. Dann dürfte der dafür eingesetzte Zinssatz auch über dem Leitzins liegen.

Je höher das Darlehen verzinst ist, desto mehr Gewinn der ausländischen Tochterfirma zieht das Schweizer Mutterhaus so in die Schweiz ab und umso höher ist dementsprechend der Gewinnabzug, den das Mutterhaus bei der Schweizer Steuerverwaltung geltend machen kann.

Der Konzern profitiert also gleich doppelt von einer Steuerreduktion: Sowohl im Land der Tochterfirma wie auch in der Schweiz. Was dabei nach Gross besonders stossend ist: «Der Gesetzestext zur zinsbereinigten Gewinnsteuer, wie er jetzt vorliegt, entspricht exakt einem entsprechenden Vorschlag, den Steuerberater seinerzeit in eine Vernehmlassungsantwort zur Vorlage geschrieben hatten.»

Diskussion um Entwicklungshilfe
Alliance Sud fürchtet zudem, dass die mit vagen Modellen errechneten Steuerausfälle weit höher ausfallen könnten als erwartet. Neben den Kantonen werden auch neue Sparmassnahmen beim Bund befürchtet. «Das erhöht den politischen Druck auf das Budget für die Entwicklungszusammenarbeit zusätzlich», so Gross.

Warum aber hat bei den vielen Argumenten gegen die USR III Alliance Sud keine Nein-Parole gefasst? «Da müssten alle sechs Trägerorganisationen von Alliance Sud dahinterstehen», erläutert Gross. Dies sei indes nicht der Fall gewesen. Caritas-Pressesprecher Stefan Gribi sagt, dass es an seiner Organisation nicht gelegen habe. Auch werde Caritas in der nächsten Woche ein Papier veröffentlichen, das entwicklungspolitische Argumente gegen das Reformpaket auflistet.

Noch klarer positioniert haben sich Helvetas und Solidar Suisse: Die beiden Entwicklungsorganisationen haben eine Nein-Parole ausgegeben. Das Hilfswerk der Evangelischen Kirche Heks dagegen übt sich – nicht unähnlich den reformierten Landeskirchen – in Zurückhaltung. Weder ein Argumentarium zur Abstimmung erscheint und schon gar nicht eine Abstimmungsempfehlung. Heks-Stiftungsratspräsident und Alt Nationalrat Claude Ruey (FDP) kommentiert dies mit einem knappen Satz: «Finanzpolitik gehört nicht zu unserem Kerngeschäft.»

Delf Bucher / reformiert.info / 19. Januar 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

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