Suppe als Türöffner zwischen Konfessionen
Als die Reformierte Kirchgemeinde Balsthal zum ersten Mal Suppe schöpfte, litt die Schweiz unter der Ölkrise, und Willy Brandt wurde Bundeskanzler. Die Reformierte Kirchgemeinde Balsthal hatte 1973 gerade ihr Kirchgemeindehaus gebaut, als der damalige Kirchgemeindepräsident Hans Rüfenacht dem jungen Pfarrehepaar Fritz und Käthy Sartorius sagte, sie sollten das Haus mit Menschen füllen.
Sartorius, der gerade seine erste Pfarrstelle angetreten hatte, überlegte mit seiner Frau jeden Abend, was sie anbieten könnten. Schliesslich kam Käthy auf den Suppentag, jeden ersten Mittwoch im Monat wollte man den Leuten eine Suppe serverieren.
Zu Beginn kamen nur zehn Leute, erinnert sich Annemarie Neuenschwander, die vor 50 Jahren dabei war. «Es gab weder einen riesigen Suppenkessel noch einen Geschirrspüler. Die Leute brachten ihr eigenes Geschirr mit.» Blieb Suppe übrig, konnten die Besucher sie kaufen und mit nach Hause nehmen. Der Erlös des Suppentages kam und kommt einem wohltätigen Zweck zugute. «In all den Jahren ist nie ein Suppentag ausgefallen», erzählt Annemarie Neuenschwander stolz. «Ausser während der Corona-Krise.»
Schnell wuchs die Anzahl der Besucher, egal ob katholisch oder reformiert, jung oder alt. Mit dem Suppentag wurden so ganz nebenbei Gräben überwunden, die in den 70er-Jahren in der Gesellschaft noch bestanden.
Heute ist der Suppentag in Balsthal eine Institution. Zum 50-Jahr-Jubiläum seien 169 Personen gekommen, sagt Vreni Hofmeier, die mit ihrem Helferteam den ganzen Morgen in der Küche Gemüse rüstete. Der Balsthaler Pfarrer Jürg von Niederhäusern führte locker durch den Anlass. Und wie vor 50 Jahren gab es Gerstensuppe mit Wienerli.
Sogar der Urvater des Suppentages, Fritz Sartorius, sass unter den Gästen. Sartorius dankte allen, die sich während 50 Jahren für den Suppentag eingesetzt hatten. Der 83-Jährige freute sich über die Offenheit und den Zusammenhalt, die heute im Dorf herrschten. Der Suppentag habe die Konfessionen einander näher gebracht. Reformierte und Katholiken sassen «ungezwungen, frei und fröhlich» bei einer Suppe zusammen. Und aus diesen Begegnungen entstanden neue ökumenische Veranstaltungen wie das Abendgebet, die gemeinsame Erwachsenenbildung oder die «Mischehen-Gottesdienste». An diesen Sonntagen konnten katholische und reformierte Partner einmal im Monat gemeinsam einen Gottesdienst besuchen. Die Mauern zwischen den Konfessionen seien durchlöchert und abgebaut worden, blickt Fritz Sartorius zurück. Und vor allem eines, betont er: «Man hat angefangen, sich gegenseitig den Glauben zu glauben.»
Suppe als Türöffner zwischen Konfessionen