Testfahrt mit Opa
Ich war 20 Jahre alt, hatte gerade meinen Motorrad-Führerschein gemacht und mir ein schickes Motorrad gekauft. Das war zur damaligen Zeit eher ungewöhnlich für eine Frau und ist es vermutlich auch heute noch. Als mein Grossvater das Motorrad vor der Haustüre sah, wurde er wütend. Er verbot mir, mit diesem Teufelsfahrzeug zu fahren – weil ich mich damit umbringen werde.
Alles Diskutieren half nichts. Er blieb hart. Bis ich ihm sagte, ich wäre seine Enkelin und hätte deshalb die gleich guten Fahrkünste wie er. Das leuchtete ihm ein. Doch er wollte einen Beweis dafür. Also setzte er sich auf den Rücksitz des Motorrades und forderte mich auf, mit ihm eine Runde zu fahren. Was ich machte.
Für die Dorfbewohner sah es vermutlich amüsant aus, als wir im Schneckentempo auf meinem Motorrad – ich vorne und er hinten – durch die Strassen zogen. Meinem Grossvater war das egal. Er war besorgt um meine Sicherheit, basta! Diese Sorge hatte er nach der Testfahrt abgelegt. Er klopfte mir auf die Schulter und meinte: «Kind, du fährst genauso gut wie ich, ich bin stolz auf dich.»
Ein Kompliment von ihm, mit denen er sonst immer geizte. Das war bewegend. Und so ärgerlich die Diskussionen mit ihm im Vorfeld auch waren, so sehr zeigten sie mir, wie besorgt er um seine Enkelin war. Dieses Besorgtsein vermisse ich heute hie und da, da er nur noch vom Himmel aus besorgt sein kann.
Testfahrt mit Opa