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«Üble Geschichten»

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01.01.2016
Wer in der Bibel blättert, trifft bald einmal auf Geschichten, die von Mord, Eifersucht und Diebstahl handeln. Für den «Kirchenboten» war dies Anlass, Autoren zu beauftragen, kurze Bibelkrimis zu verfassen. Das Resultat kann sich sehen lassen.

Sommerzeit ist Krimizeit: Manch einer packt neben Strandtuch und Sonnencreme einen deftigen Kriminalroman in die Badetasche. Im Juli und August veröffentlichten die Online-Seiten von ref.ch, reformiert.info und kirchenbote-online.ch Kurzgeschichten zu Mord und Verbrechen. Jeweils zum Wochenanfang schlug das Verbrechen zu. Geschrieben wurden die Krimis von Pfarrern, Theologen und Kirchenleuten, die schon etliche Kriminalromane publiziert haben, wie Ulrich Knellwolf, Alfred Bodenheimer, Achim Kuhn und Franz Osswald.

Schuld, Rache, Tod und Liebe
Die Beiträge greifen Figuren aus dem Alten und Neuen Testament auf und übertragen diese in die Moderne. Zu den Montagskrimis gab es den passenden Wettbewerb, der nach den biblischen Persönlichkeiten hinter den Geschichten fragt.
In den letzten Jahren sind vermehrt Kriminalromane von Geistlichen auf dem Buchmarkt erschienen. Auf der Kanzel predigen die Pfarrer Nächstenliebe und Versöhnung, doch in ihren Studierzimmern steigen sie hinab in die geistige Mördergrube, in der Gier, Niedertracht und Totschlag herrschen.
1992 machte Ulrich Knellwolf mit dem Band «Roma Termini» den Anfang. Ein Jahr später erschien «Tod in Sils Maria», das zum Kassenerfolg wurde. Kurz darauf das «Klassentreffen» und «Schönes Sechseläuten». Was brachte den damaligen Pfarrer der beschaulichen Zürcher Predigerkirche dazu, solche «üblen Geschichten», wie Knellwolf seine Bücher bezeichnet, zu schreiben? «Wie die Bibel nimmt die Kriminalliteratur die grossen Fragen der Welt auf», meint Knellwolf. Es gehe um Schuld und Rache, Tod und Leben. Bei Georges Simenon habe er mehr über die Sünde erfahren als in den theologischen Werken, erzählte er dem Magazin «Spiegel», und bei Graham Green mehr über die Kirche als in jeder Ekklesiologie-Vorlesung. «Die zentrale Geschichte des Neuen Testamentes, der Gerichtsprozess von Jesus, der Verrat des Petrus, die korrupte Justiz, die Hinrichtung des Mannes, der behauptet, anders, göttlich zu sein, das Verschwinden der Leiche, dies alles sind klassische Elemente des Genres.»
Die grosse Nähe zwischen Bibel und Kriminalromanen stellt auch der Männedorfer Pfarrer Achim Kuhn fest. Beide behandeln Themen wie Schuld, Vergebung, Rache und Gerechtigkeit. Schon das Alte Testament beginnt mit dem Sündenfall und dem Brudermord von Kain an Abel. Wie ein guter Krimi skizziert die Bibel keine eindimensionale Charakteren. «Auch dort sind Menschen nicht nur Heilige oder Verbrecher.» Selbst König David, den die Bibel als Vorbild und Liebling Gottes schildert, enthüllt sein zweites Gesicht. Um die schöne Batseba zu gewinnen, sorgte David hinterlistig dafür, dass ihr Ehemann im Kampf stirbt. Und brutal verfolgt David seine Söhne, als er seine Macht von ihnen bedroht sieht.

Altersfrage und Babywunsch
Kuhn hat inzwischen zwei Krimis geschrieben. Ein Dritter mit dem Titel «Ewig sollst du leben» erscheint in diesem Sommer. Er handelt vom Wunsch nach dem ewigen, Paradies ähnlichen Leben und dessen ethisch-moralischen Kosten, so Achim Kuhn.
Seine Plots orientieren sich an der gesellschaftlichen Aktualität. Die Ermittlungen von Hauptkommissar Imboden führen im Erstling «Senioren-trost» zu Themen wie Sterbehilfe und Verteilung des Vermögens zwischen den Generationen. Der Nachfolgeroman «Hohe Kunst und eine Leiche», den Kuhn zusammen mit seiner Frau geschrieben hat, beschäftigt sich mit dem Babywunsch und der medizinischen Machbarkeit. Alles ethische Fragen, welche die Politik und Kirche herausfordern.

Im Bild: Ulrich Knellwolf, Krimi-Autor

Tilmann Zuber

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