«Unser Kirchenchor ist auch ein Projektchor»
Im Probenplan des Kirchenchors La Capella fallen einem die häufigen Einträge «Sing mit! Offene Probe» ins Auge. «Zu diesen Proben sind alle eingeladen, die projektweise bei uns mitsingen möchten», erläutert Hans-Jörg Ganz, der den Chor seit 2019 leitet.
«La Capella» singt als Chor des Verbandes der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden in der Stadt Schaffhausen in Gottesdiensten der Gemeinden Buchthalen, St. Johann-Münster, Steig und Zwingli.
Ein Mitsingchor in der Stadt
«Wir schätzen es, in den klingenden Schaffhauser Kirchenräumen singen zu dürfen», schwärmt Ganz. «Wir gestalten einen Gottesdienst mit, statt nur darin aufzutreten.» Das Repertoire reicht von einfachen Chorsätzen bis zu anspruchsvolleren Werken mit Orchesterbegleitung.
Im Kirchenchor singen 30 ständige Mitglieder zwischen 40 und 85 Jahren aus allen vier Stimmregistern. Doch wie viele andere Chöre kämpft auch «La Capella» mit Nachwuchsproblemen. «Ein Kirchenchor ist etwas aus der Zeit gefallen, heute fällt es vielen schwer, sich in der Freizeit regelmässig zu verpflichten», so Ganz. «Deshalb sind wir offen für Sängerinnen und Sänger, die sich projektweise einbringen.» Dieses Angebot bietet dem Chor auch eine Überlebenschance. «Im Durchschnitt kommen bei einem dreimonatigen Projekt fünf bis zwölf Leute dazu.» Manchmal bleibt jemand dabei. «Im letzten Jahr konnten wir fünf neue Mitglieder dazugewinnen.» Neue Angebote, wie das offene Johannisingen an der Feuerstelle hinter der Steigkirche oder das Adventssingen für Familien im Münster, sollen weitere Kreise ansprechen.
Spiritualität in der Musik erleben
Hans-Jörg Ganz ist es ein Anliegen, dass der Kirchenchor nicht ausstirbt: «In der Gesellschaft ist eine starke Sehnsucht nach Spiritualität spürbar. Wir brauchen deshalb ein Angebot, bei dem die Leute ihre Spiritualität in der Musik leben können.» Die Spiritualität kommt in den Bezügen von Wort und Ton im Gottesdienst zum Ausdruck. «Das Wiederholen der gesungenen Texte und Bibelzitate ergibt eine Meditation, die viele Leute schätzen. Dies ist auch im gemeinsamen Singen mit der Gemeinde der Fall.»
Der Musiker schätzt die regelmässigen Chorproben. «Man lernt einander mit der Zeit kennen, es entsteht ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis.» Das sei die Grundlage für ein fruchtbares musikalisches Arbeiten auch in schwierigen Momenten. «Eine Probe kann so viel helfen, wenn es jemandem nicht gut geht. Es berührt mich, wenn jemand sagt: ‹Ich wollte heute zuerst nicht kommen, aber jetzt geht es mir besser, die Probe hat mir richtig gutgetan.›»
Chorprobe als Ritual
Der Dirigent bezeichnet eine Chorprobe als gemeinsames Ritual. «Ich kann nicht gegen den Atembogen der Sängerinnen und Sänger arbeiten, denn natürlich haben wir bei älteren Leuten Einschränkungen im Stimmumfang und in der Aufmerksamkeitsspanne. Ich muss mir dessen bewusst sein, wen ich vor mir habe, und die Anforderungen richtig dosieren. Ich bin mit meiner Arbeit den Leuten sehr nah am Atem.»
Im Chor spielt auch die Geselligkeit eine Rolle, sei es bei der Einkehr nach der Probe, den Probenwochenenden, dem Sommerausflug und am Adventshöck. «Die Mitglieder achten aufeinander, es gibt einen schönen sozialen Zusammenhalt.»
Als Teenager Orgel gespielt
In einer musikalischen Familie aufgewachsen, hat Hans-Jörg Ganz schon früh die Kirchenmusik entdeckt. «Als Teenager sass ich einmal auf der Empore in der Kirche und lauschte einem Konzert. Das Orgelspiel hat mich dabei besonders fasziniert. Von diesem Moment an wollte ich Orgel spielen.» Die Familie zog von Winterthur nach Henggart, wo Hans-Jörg Ganz, mittlerweile Kantonsschüler, in der reformierten Kirche das Orgelspielen üben durfte. «Während der Gottesdienste, die ich musikalisch an der Orgel begleitete, kam der Wunsch auf, dies zu meinem Beruf zu machen.»
Diesem Wunsch blieb der ausgebildete Kirchenmusiker, Kantor und Dirigent bis heute treu. Neben seiner Tätigkeit als Chorleiter begleitet er seit seiner Pensionierung als Leiter der Singschule der Musikschule Schaffhausen (MKS) Gottesdienste an der Orgel in der reformierten Kirche in Laufen am Rheinfall.
Im kommenden Jahr feiert er seinen siebzigsten Geburtstag. Den Kirchenchor La Capella will er noch für die Dauer dieses Jahres dirigieren. Die Zukunft des Chors verbindet er mit einer Idee, die er seit einiger Zeit als Teil einer Spurgruppe der Kirchgemeinde St. Johann-Münster erarbeitet: ein Kantorat für die Stadt Schaffhausen. Die künftige Kantorin, der künftige Kantor wird für die Ausgestaltung der Kirchenmusik in der Stadt Schaffhausen zuständig sein. Auch das Weiterführen von «La Capella» wird dann in den Händen des Kantorats liegen.
«Unser Kirchenchor ist auch ein Projektchor»