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Die Kirchen und der Skandal Sanija Ameti

«Vergebung ist der wichtigste Begriff der Bibel»

von Tilmann Zuber
min
24.09.2024
Mit ihren Schüssen auf eine Darstellung von Maria mit dem Jesuskind hat die Politikerin Sanija Ameti provoziert. In den sozialen Medien entlädt sich der Hass in den Kommentaren. Doch die Kirchen halten sich zurück und suchen den Weg der Versöhnung.

Skandal, Shitstorm und Solidarität – Anfang September hat die Politikerin Sanija Ameti mit einem Instagram-Post eine heftige Kontroverse ausgelöst. Die Grünliberale hatte mit einer Sportpistole auf ein Bild der Jungfrau Maria mit dem Jesuskind geschossen. Viele Menschen fühlten sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Ameti verlor ihren Job und wurde mit Hassbotschaften und Morddrohungen überschüttet.

Vergebung

Auch wenn die Kirchen die Tat klar als «unsensibel», «schwachsinnig» und «geschmacklos» verurteilten, riefen sie zu Verhältnismässigkeit und Besonnenheit auf. In einem persönlichen handgeschriebenen Brief hatte Ameti den Bischof von Chur um Verzeihung gebeten. «Wie könnte ich nicht vergeben?», schrieb Joseph Maria Bonnemain in einer Medienmitteilung. Vergebung sei und bleibe einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Begriff der Bibel – und ein Massstab für das praktische Leben. Der Bischof bittet alle, auf Hass und Vergeltung zu verzichten. «Ametis Leben verdient den gleichen Respekt und Schutz wie jedes andere menschliche Leben.»

Ähnlich sieht es der Schweizerische Katholische Frauenbund. «Hass auf Sanija Ameti ist die falsche Antwort», sagt Präsidentin Simone Curau-Aepli. Und der Frauenbund stellt fest: «Dinge, die bisher höchstens hinter vorgehaltener Hand gesagt wurden, sind plötzlich salonfähig geworden.»

Das ist vor allem Symbolpolitik und weniger religiöse Betroffenheit.

Empörungsgesellschaft

Georg Pfleiderer, Ethikprofessor an der Theologischen Fakultät Basel, führt die Heftigkeit der Diskussion auf die enorme Empörungsbereitschaft zurück, die derzeit in der Gesellschaft herrsche. Vor allem in den sozialen Medien. Zudem sei Sanija Ameti, die gerne provoziere, durch ihren Fehltritt für ihre Gegner eine gute Zielscheibe.

Als Frau mit Migrationshintergrund, die sich selbst als Muslimin und Agnostikerin bezeichnet, eigne sie sich perfekt, um in ihrem Post eine Attacke auf unsere christlichen Werte zu sehen. Das Bild der Gottesmutter mit Jesuskind stelle insbesondere für katholische Christinnen und Christen ein zentrales Motiv des christlichen Glaubens an die Menschwerdung Gottes dar. Zudem gelte es als ikonografische Präsentation der Keimzelle der heiligen christlichen Familie.

Sanija Ametis Post sei vor allem geschmacklos, da man auf Bilder von Menschen nicht schiesse. Dennoch bezweifelt Pfleiderer, dass hinter den heftigen Gegenreaktionen immer verletzte religiöse Gefühle stünden: «Das ist vor allem Symbolpolitik und weniger religiöse Betroffenheit.».

Bildersturm der Reformierten

Georg Pfleiderer erinnert daran, dass die Zerstörung von Heiligenbildern und Statuen zum historischen Kern der Schweizer Reformation gehört. Während der Reformationszeit kam es in den grösseren Städten zum Bildersturm, bei dem unzählige Talare, Statuen und Heiligenbilder verbrannt und zerstört wurden. Das sei zwar absolut kein Ruhmesblatt gewesen, sagt Pfleiderer. Aber es zeige immerhin, dass sich die Reformatoren der Bilderproblematik bewusst gewesen seien, so wie es schon im Alten Testament heisse: «Du sollst dir kein Bildnis machen.»

Die reformierte Tradition unterscheide zwischen den Inhalten des Glaubens und ihrer bildlichen Darstellung: So sei im Fall Ameti sozusagen ja nicht auf Maria und Jesus geschossen worden, sondern auf ein Foto aus dem Katalog eines Auktionshauses. Georg Pfleiderer begrüsst es deshalb, dass der Bischof von Chur die Entschuldigung angenommen hat. «Sanija Ameti ist nun selbst Opfer geworden, und die christliche Botschaft ruft dazu auf, sich schützend vor die Schwachen und die Opfer zu stellen.»

 

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