Verloren geglaubt – Von der Sängerin zur Pfarrerin
Von der BĂŒhne auf die Kanzel: So könnte dereinst eine Biographie ĂŒber Trudy Walter betitelt werden. Noch ist es allerdings nicht so weit. Im Herbst wird die ehemalige OpernsĂ€ngerin und aktuelle PrĂ€sidentin der Kirchenpflege Brugg ihr Theologiestudium an der UniversitĂ€t Bern aufnehmen.
Die erste HĂŒrde auf diesem Weg, der ihrem Leben «nochmals eine Wende» geben soll, hat sie allerdings schon gemeistert â und zwar mit ihrer Maturaarbeit an der KTS mit dem Titel: «Wenn der Glaube an Gott stirbt â auf der Suche nach relevanten theologischen Fragen in der Seelsorge im Hier und Jetzt».
«Von Gott im Stich gelassen»
Sie hat dafĂŒr einen sehr persönlichen Zugang gewĂ€hlt â und zwar indem sie im Vorwort zur Arbeit in ihr eigenes Leben zurĂŒckblendet, in eine Zeit, als sie als 25-JĂ€hrige ihr Musikstudium in Italien abbrach, um die letzten Lebensmonate mit ihrer an Krebs erkrankten Mutter zu verbringen.
Der Wunsch der Tochter an Gott, ihre Mutter nicht sterben zu lassen, ging nicht in ErfĂŒllung. «Ich fuÌhlte mich von Gott im Stich gelassen. So wie er meine Mutter hatte sterben lassen, liess ich ihn sterben. Ich wollte ihn nicht mehr und jagte Gott und den Glauben aus meinem Leben», schreibt sie.
Es blieb nicht bei diesem Glaubensverlust â im Gegenteil: Trudy Walter ist als PrĂ€sidentin der Kirchenpflege Brugg aktives Mitglied der reformierten Kirche und will diese Kirche kĂŒnftig noch stĂ€rker mitgestalten. «Mich drĂ€ngt es ins Pfarramt», sagt sie. «Zu den Menschen.»
Von Nietzsche bis in die Gegenwart
Die Begegnung mit Menschen steht denn auch im Zentrum ihrer Maturaarbeit. Genauer: die Begegnung mit Menschen aus dem kirchlichen Umfeld, die den Glauben an Gott verloren haben â so wie sie als junge Frau. Ausgehend von Nietzsches Aphorismus «Gott ist tot» stellt sie sich die Frage, welche Antworten die Theologie fĂŒr die Seelsorge bereit hĂ€lt.
Dabei stĂŒtzt sie sich auf die Theologin Dorothee SoÌlle und den Theologen Wilfried HaÌrle. «Beide haben ihren Gottesglauben verloren und wieder gefunden», schreibt Walter. Die Auseinandersetzung mit ihnen sowie die GesprĂ€che mit Seelsorger und Professor Thomas Wild von der UniversitĂ€t Bern und Prof. W. HĂ€rle habe ihr vor allem vor Augen gefĂŒhrt, «dass nichts einfach gegeben ist â auch der Glauben nicht.»
Ein fiktives GesprÀch mit persönlichen Erfahrungen
Um zu illustrieren, wie praktische Seelsorge aussehen könnte, skizziert Trudy Walter in ihrer Arbeit ein fiktives SeelsorgegesprĂ€ch zwischen zwei Frauen. Und auch da greift sie auf persönliche Erfahrungen zurĂŒck. «Ich gehe oft mit meinem Hund spazieren und begegne vielen Menschen. Fast alle SĂ€tze, die in diesem fiktiven GesprĂ€ch fallen, habe ich schon mal gehört», sagt sie.
Gerade der Satz âwie kann Gott so etwas zulassenâ sei im Alltag immer wieder zu hören. Als sie am Totenbett ihrer Mutter sass, hat sich Trudy Walter diese Frage auch gestellt. «Ich hatte eine sehr kindliche Vorstellung vom Gott im Himmel», sagt sie. «Und heute wundere ich mich, wie viele auch Ă€ltere Menschen ein sehr kindliches Glaubensbild haben.»
Das liege daran, dass sich viele nicht mehr aktiv mit dem Glauben auseinandersetzen, ihn nicht weiterentwickeln. «Ich möchte mit meiner Arbeit meine Mitmenschen dazu ermutigen, ĂŒber den Glauben zu sprechen und einander zuzuhören. Der Glaube wandelt sich â und vielleicht ist dann die Frage âwie kann Gott so was zulassenâ gar nicht mehr so wichtig.»
Die Kraft der Musik
Trudy Walter stand auf den OpernbĂŒhnen in Europa, hat dann aber die Karriere als OpernsĂ€ngerin beendet und Musik unterrichtet â weil sie das als zweifache Mutter besser mit ihrer Familie kombinieren konnte. Und nun also nochmal was Neues: Ihr Pfarrer in Brugg wusste, dass sie «mit dem Pfarrberuf liebĂ€ugelte» und machte die Kirchenpflegerin auf die KTS aufmerksam.
«Die Ausbildung hat viel Einsatz gebraucht», sagt sie. «Aber ich bin jetzt schon traurig, dass ich diese Talentschmiede im Muristalden bald verlassen werde. Wir wurden sehr gefordert, aber vor allem gefördert.» Sie sieht es als Privileg, dass sie in ihrem beruflichen Leben machen durfte, «was mich antreibt.» Das will sie auch kĂŒnftig tun: «Mein Wunsch ist es, in der Kirche die Kraft der Musik mit dem Wort zu verbinden.»
Astrid Tomczak, reformiert.info
Verloren geglaubt – Von der Sängerin zur Pfarrerin