Verschwörungsglaube leicht rückläufig, Unzufriedenheit stark gestiegen
Die Bertelsmann Stiftung veröffentlichte am 6. Februar die Studie «Verschwörungsglaube als Gefahr für Demokratie und Zusammenhalt: Erklärungsansätze und Prävention». Die Ergebnisse basieren auf Daten des Religionsmonitors vom Juli 2022 und einer Folgebefragung im September 2024. Mehr als 3000 Erwachsene in Deutschland nahmen daran teil. Die Studie zeigt, dass der Glaube an Verschwörungstheorien in den letzten zwei Jahren leicht abgenommen hat. Gleichzeitig stiegen das Misstrauen in die Politik, die gesellschaftliche Entfremdung und die allgemeine Unzufriedenheit.
Die Forscher massen den Glauben an Verschwörungstheorien anhand von drei Aussagen und verglichen die Ergebnisse mit den Vorjahren. 2024 stimmten 28 Prozent der Aussage zu, dass geheime Organisationen grossen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Zwei Jahre zuvor waren es 33 Prozent. Der Aussage, dass Regierungsbehörden alle Bürger sehr genau überwachen, stimmten 2024 17 Prozent zu, im Jahr 2022 waren es 27 Prozent. 19 Prozent der Bevölkerung glaubten 2024, dass scheinbar unverbundene Ereignisse oft das Ergebnis geheimer Aktivitäten sind, gegenüber 22 Prozent im Jahr 2022.
Eine Offenheit für übernatürliche Deutungen kann die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien erhöhen. Unter hoch spirituellen Menschen liegt der Anteil der Verschwörungsfundamentalisten bei 25 Prozent. Mit zunehmender Säkularisierung und Liberalisierung sind religiöse Menschen empfänglicher für Verschwörungserzählungen geworden. Länder mit vorherrschendem Katholizismus zeigen im internationalen Vergleich eine höhere Anfälligkeit für Verschwörungsglauben. In Spanien liegt der Anteil bei 43 Prozent, in Polen bei 41 Prozent und in Deutschland bei 21 Prozent.
Die Autoren der Studie nennen mehrere Erklärungsansätze für die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien: allgemeine Entfremdung und Verdrossenheit, Rassismus und die Suche nach Sündenböcken, gesteigerte Religiosität und Spiritualität, Wissenschaftsskepsis und der Glaube an Alternativmedizin. Bildungsferne und einkommensschwache Bevölkerungsgruppen sowie die Landbevölkerung sind stärker gefährdet als die Stadtbevölkerung. Evangelikale Christen sind unterrepräsentiert.
Zusammenfassend gebe es religiöse und politische Faktoren, die die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien beeinflussen. Auch wenn die aktuellen Zahlen zur Verschwörungstheorieanfälligkeit rückläufig seien, würde eine gesellschaftliche oder politische Krise wie ein Katalysator wirken und den Zusammenhalt stark gefährden. So sei der Anteil der grundsätzlich Enttäuschten innerhalb von zwei Jahren von 36 auf 49 Prozent gestiegen und das politische Misstrauen in Deutschland in den letzten zwei Jahren von 42 auf 48 Prozent gewachsen. Dies sei ein Risikofaktor für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Religion könne dagegen unter den richtigen Umständen eine Ressource gegen spalterische Tendenzen sein.
Der aktuelle Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung als Download im Internet.
Bertelsmann Stiftung
Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet und ist heute eine der grössten deutschen Stiftungen. Mit ihren Forschungsprojekten, empirisch gestützten Studien und Veranstaltungen in verschiedenen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, soziale Gerechtigkeit und Digitalisierung will die Bertelsmann Stiftung Orientierung vermitteln, Debatten anregen und Impulse für gesellschaftliche Veränderungen geben.
Verschwörungsglaube leicht rückläufig, Unzufriedenheit stark gestiegen