«Viele Jugendliche sind überrascht, wie teuer das Leben ist»
Finanzielle Kompetenz bei jungen Erwachsenen: Das ist eine Herausforderung für Familien und Schulen. Laut Nadia Toma, Sozialarbeiterin und Schuldenberaterin der Triangel Beratung, die von der Reformierten Kirche Kanton Zug getragen wird, mangelt es Jugendlichen und jungen Erwachsenen oft an grundlegendem Wissen über Geld, Kaufverhalten, Zahlungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen. Ein Hauptgrund sei, dass Eltern diese Kompetenzen oft nicht mehr vermitteln. Sei es, weil sie selbst unsicher oder Finanzen zu Hause ein Tabuthema sind.
Auch in der Schule wird dieses Wissen oft vernachlässigt. «Zwar gibt es im Lehrplan 21 Bestrebungen, Haushaltsbudgets und ähnliche Themen zu integrieren, doch die Umsetzung wurde durch die Covid-Pandemie ausgebremst», sagt Toma. «Über Geld zu sprechen, ist oft ein Tabu. Entweder man hat es, oder man tut so, als habe man es.» Und greift dann zu Krediten, Kreditkarten oder Einkaufskarten, um die finanziellen Engpässe zu überbrücken.
Druck auf Jugendliche steigt
Der Druck auf Jugendliche und junge Erwachsene hat in den letzten Jahren zugenommen, insbesondere durch Markenartikel, TikTok, Instagram und soziale Medien. Sie fühlen sich gezwungen, mit Statussymbolen in der Gruppe dazuzugehören, was zusätzlichen Druck auf die Familien ausübt. Hier setzt die Triangel Beratung an. Sie bietet Geldpräventionskurse, um junge Menschen zu sensibilisieren und ihnen finanzielle Kompetenzen näher zu bringen. «Das Hauptziel ist, dass sie zum ersten Mal ein Budget erstellen, um Einnahmen und Ausgaben zu überblicken und lernen, wie sie ihr Geld einteilen können», sagt Nadia Toma. 95 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten noch nie in ihrem Leben ein Budget aufgestellt.
Fälle aus dem echten Leben
Die Kurse ermutigen dazu, in der Familie über Finanzen zu sprechen und das Sparen zu lernen. Statt «Buy now, pay later» zu propagieren, sollen die Jugendlichen üben, für ihre Wünsche zu sparen und Rückstellungen zu bilden. Ausserdem werden sie auf ihre Verpflichtungen und Rechte ab 18 Jahren vorbereitet, etwa eine Lohnabrechnung zu verstehen oder eine Steuererklärung auszufüllen. Der Workshop «Finanzkompetenz von Jugendlichen fördern» richtet sich an Oberstufenschülerinnen und -schüler sowie Lernende. «Sie lernen unter anderem, ihren Lehrlingslohn einzuteilen und die Kosten des Erwachsenenlebens zu berücksichtigen.» Die Nachfrage nach den Kursen ist gross, da sie kostenlos sind und von erfahrenen Budget- und Schuldenberaterinnen und -beratern geleitet werden, die aus ihrem Alltag erzählen. Sie schildern anonymisierte Fälle und zeigen den Kursteilnehmenden eindrucksvoll auf, wie schnell sie in Schulden geraten können.
Hat denn die Verschuldung bei Jugendlichen in den letzten Jahren zugenommen? «Das können wir so pauschal nicht sagen. Die jährliche Statistik des Dachverbandes Schulden weist ein erhöhtes Schuldenrisiko zwischen 30 und 40 Jahren auf, das Alter, in dem sie aus dem Elternhaus ausziehen, heiraten und eine Familie gründen, sagt Nadia Toma. Auch falle auf, dass Jugendliche und Erwachsene ohne Ausbildung eher finanzielle Probleme hätten. «Sie bleiben in den Niedriglohnsegmenten und geraten dadurch schneller in die Verschuldung.» Um das zu verhindern, sei es essenziell, dass man die jungen Menschen möglichst früh schule.
Auch für Firmen
Die Schüler und Lehrlinge reagieren positiv auf die Geld- und Schuldenprävention, insbesondere auf das Erstellen der Budgets. «Im Workshop lernen die Jugendlichen ihren eigenen Geldtyp zu kennen und erfahren, in welchen finanziellen Situationen sie besonders vorsichtig sein müssen.» Viele seien überrascht, wie teuer das Leben ist, besonders wenn sie von zu Hause ausziehen. Neben den klassischen Themen wie Budgetierung und Sparen behandelt man Spielsucht, Drogen- und Alkoholkonsum, da diese oft mit finanziellen Problemen einhergehen und in grosse Schulden führen können.
Die Mitarbeitenden von der Triangel Beratung besuchen nicht nur Oberstufenklassen oder Berufsschulen. Auch Firmen im Kanton Zug können von den kostenlosen Workshops profitieren. Ignaz Henzen ist seit neun Jahren Ausbildungsverantwortlicher bei der V-ZUG und verantwortlich für rund 80 Lernende in zehn verschiedenen Berufen.
In diesem Frühling wird der Workshop zum zweiten Mal in der V-ZUG durchgeführt. Zwischen 35 und 40 Lernende, vor allem aus dem ersten Lehrjahr, werden daran teilnehmen. «Weil Geld ein grosses Thema ist, über das man trotzdem nicht spricht», sagt Henzen. Ihm ist es ein Anliegen, dass seine Lernenden sich früh genug mit dem Thema Finanzen, Sparen und Schulden auseinandersetzen. An dem Angebot von Triangel schätzt er nicht nur, dass es kostenlos ist, sondern vor allem die persönliche Beratung durch das Triangel-Team und dass sie nicht nur einen Monolog abhalten, sondern die Lernenden miteinbeziehen. «Die Beraterinnern konnten unsere Lernenden sehr gut abholen und die Workshops sind spannend und zeitgemäss», so Ignaz Henzen.
Schuldenberatung
Kostenlose Workshops an den Schulen oder in der Triangel Beratung in Zug. Kontakt: 041 728 80 80, info@triangel-zug.ch, www.triangel-zug.ch
«Viele Jugendliche sind überrascht, wie teuer das Leben ist»