«Vo Schönebuech bis Ammel … Lit frei und schön das Ländli, wo mir deheime si.» So wird im Baselbieterlied die kleine Gemeinde Anwil erwähnt, als stolzer Pfeiler der Baselbieter Landschaft. Ein Pfeiler soll die Gemeinde nun auch in der Zukunft der Kirche sein, denn dieser steht im nächsten Jahr ein unausweichlicher Wandel bevor.
Drei Kirchen, sieben politische Gemeinden, eine Kirchgemeinde
Heidi Bader-Bitterlin von der Kirchenpflege in Rothenfluh erklärt: «Wir können als kleine Kirchgemeinde nicht mehr existieren.» Die Gründe dafür sind vor allem auf die neue Gesetzgebung zurückzuführen, die das Pfarrpensum limitiert.
Auf 1500 Mitglieder muss eine Kirchgemeinde eine Vollzeitpfarrstelle bieten. Das zwingt kleine Kirchgemeinden, entsprechend proportionale Stellenprozente zu schaffen. Die Kirchgemeinde Oltingen-Wenslingen-Anwil hat mit 951 Mitgliedern 63,4 Stellenprozent, die Kirchgemeinde Rothenfluh hat mit 405 Mitgliedern 27 Stellenprozent, und die Kirchgemeinde Kilchberg-Rünenberg-Zeglingen hat mit 797 Mitgliedern 53,13 Stellenprozent.
Dieser Umstand lässt viele Aufgabenbereiche offen und mit ihnen auch die Frage, mit welchen finanziellen Mitteln sie gedeckt werden könnten. Dazu kommt die zusehends steigende Zahl der Kirchenaustritte. Durch die schwindenden Mitgliederzahlen lohnen sich besonders kleine Kirchgemeinden immer weniger.
«Wir mussten etwas unternehmen», sagt Peter Imhof, Kirchenpflegepräsident von Oltingen-Wenslingen-Anwil, der die Probleme aus seiner eigenen Gemeinde kennt. Auch Fritz Weibel, Kirchenpflegepräsident von Kilchberg-Rünenberg-Zeglingen, schloss sich den Überlegungen an, wie nun am besten fortzufahren sei.
Am 31. Oktober 2021 setzte sich die kleine Gruppe erstmals zum Gespräch an einen runden Tisch. Die Idee: aus drei Kirchgemeinden, bestehend aus sieben politischen Gemeinden, eine einzige Grosskirchgemeinde wachsen zu lassen.
Der längste Weg ist im Kopf
Eine Fusion der drei (oder sieben) Gemeinden bietet aus Sicht der Arbeitsgruppe wertvolle Chancen. Die Räume des Gemeindehauses Rothenfluh können für Konzert- und andere Kulturveranstaltungen genutzt werden, während insgesamt das Angebot für Kinder und Erwachsene erweitert werden kann. Von Erste-Hilfe-Kursen für Kinder über Erwachsenenbildung bis hin zu Einkaufsdiensten für betagte Gemeindemitglieder – eine grosse Gemeinde bedeutet mehr Ressourcen.
Es sei aber nicht so, dass die Leute die Idee einfach super fänden, betonen sie alle. Die grössten Bedenken sehen sie in Bezug auf den Sonntagsgottesdienst, der vielen Menschen sehr am Herzen liegt. Vor allem der anschliessende Kirchenkaffee!
Eine Fusion hätte mitunter auch längere Wege zur Folge. Die Angebote würden abwechselnd in den verschiedenen Dörfern durchgeführt. Aber die Gruppe ist überzeugt: Der längste Weg ist im Kopf.
Peter Imhof erklärt, er könne die Angst ja sogar verstehen. Und er könne den Menschen nicht versprechen, dass der Wandel ganz ohne Verzicht werde stattfinden können. «Die Menschen haben Angst davor, etwas zu verlieren. Aber wir setzen uns dafür ein, dass wir mit der Fusion umso mehr gewinnen!»
Die Kirchgemeinde Kilchberg-Rünenberg-Zeglingen hat seit rund anderthalb Jahren keinen festangestellten Pfarrer mehr. Stattdessen führt ein Team aus Stellvertretern und Stellvertreterinnen etwa die Gottesdienste durch. Im letzten Jahr konnte die Gemeinde sogar einen Gewinn von 18 Prozent verzeichnen. Es ist also nicht das Geld allein, das die Kirchgemeinde zur Fusion drängt.
«Es geht um die Frage, ob uns der Gemeindeaufbau alleine besser gelingt oder als grosses Gebilde?», sagt Fritz Weibel. «Die Anzeichen sind da, dass wir als kleine, wendige Gemeinde deutlich näher am kirchlichen Auftrag sind, als wenn tabulatorische Kalku-lationen im Vordergrund stehen.»
Kein Kirchenleben ohne Kirchenpflege
Die Schwierigkeiten liegen demnach nicht zwingend nur im Organisatorischen oder in den Finanzen. Ein grosses Problem für viele kleine Kirchgemeinden ist, dass sich niemand in der Kirchenpflege engagieren will. Die Kirchenpflege ist für den Beschlussvollzug der Kirchgemeindeversammlung sowie die Erlasse von Synode und Kirchenrat zuständig. Ohne dieses Gremium können auch die besten Ideen innerhalb einer Kirchgemeinde nicht umgesetzt werden.
Es ist eine zeitintensive Aufgabe, aber sie gibt einem auch die einmalige grosse Freiheit, Herzensprojekte umzusetzen. Zum Beispiel könne man mit dem Organisten abmachen, er solle im Gottesdienst zur Abwechslung mal Beatles-Songs spielen. «Ist doch schön, wenn man im Gottesdienst mitsummen kann!», findet Peter Imhof.
143 Stellenprozent für die neue Gemeinde
Die fusionierte Kirchgemeinde könnte 143,5 Stellenprozent für eine Pfarrperson bieten. Die pfarramtlichen Aufgaben würden zwar eine Herausforderung bleiben, aber sie laden auch zu kreativen Lösungen ein. «Wir bereiten den sprichwörtlichen Garten vor», sagt Monika Werthmüller-Bär. Sie ist Aktuarin und stellvertretende Präsidentin der Kirchenpflege Rothenfluh. «Wir bewirtschaften das Feld, aber was darauf wächst, werden wir erst ab dem 1. Januar 2025 sehen können!»
An der Kirchgemeindeversammlung vom 5. Mai wird über die Fusion abgestimmt. Am 11. April laden die drei Kirchgemeinden zum Informationsanlass in der Turnhalle von Oltingen ein. Eines nimmt Peter Imhof jedoch schon vorweg: Im besten Fall wird der Kirchenkaffee auch nach der Fusion erhalten bleiben. «Die Fusion bedeutet nicht, dass wir die Angebote abbauen müssen.»
Am 5. Mai wird sich zeigen, ob auch die fünfte Strophe des Baselbieterlieds recht behalten wird. Darin heisst es nämlich über die Baselbieter Menschen: «Doch tuesch-in froge: ‹Wit du fürs Rächt istoo?› – Do heisst’s nit, dass me luege well – do säge-n-alli: ‹Joo!›»
Vom Jein zum Ja: Drei Gemeinden kämpfen für die Fusion