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Fokus: die Toilette

Vom Plumpsklo zur Wohlfühloase

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03.02.2025
Der Gang zur Toilette ist so selbstverständlich, dass niemand darüber spricht – auch nicht die Bibel. Anders in Entwicklungsländern: Dort entscheiden sanitäre Anlagen über Leben und Tod. Ein Blick auf die Bedeutung von Hygiene und sanitären Einrichtungen weltweit – von der Antike bis heute.

Brütende Hitze liegt über der weiten Ebene im Süden Äthiopiens. Vor der Primarschule von Wachiga Busha scheint die Zeit stillzustehen. Plötzlich öffnen sich die Türen, und die Kinder stürmen schreiend heraus. Sie eilen zum Brunnen auf der nahen Wiese. Atemlos drehen sie den Haupthahn auf, und Wasser sprudelt aus den acht kleineren Hähnen ins Becken. Begeistert halten die Kleinen ihre Hände unter den Wasserstrahl – Händewaschen ist Pflicht in Wachiga Busha. «Bis vor kurzem hatten wir hier kein Wasser», sagt Gaze Masaratu. Jetzt fliesst endlich sauberes Wasser. «Endlich», seufzt der Schulleiter, als fiele ihm eine Last von den Schultern.

«Terepeza», eine Partnerorganisation des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks), hat diesen Fortschritt ermöglicht. Sie verlängerte die Leitungen von einer nahe gelegenen Wasserstelle zur Schule und errichtete einen Wassertank und den Brunnen. Der Zugang zu Wasser und der Bau von Toiletten seien wichtig, sagt Projektleiter Alemayehu Koysha. Der Bedarf an sanitären Anlagen mit fliessendem Wasser ist enorm. Von den 527 Schulen im Distrikt haben nur 147 Zugang zu sauberem Trinkwasser. Neue Projekte sind geplant. «Doch das Wasser muss in der Nähe vorhanden sein, sonst wird der Aufwand zu gross», warnt Koysha vor überzogenen Erwartungen.

 

Sauberes Wasser fliesst aus den Hähnen in der Primarschule von Wachiga Busha, Äthiopien. Für die Schülerinnen und Schüler bringen die neuen sanitären Anlagen Sicherheit und Lebensqualität. | Foto: Heks

Sauberes Wasser fliesst aus den Hähnen in der Primarschule von Wachiga Busha, Äthiopien. Für die Schülerinnen und Schüler bringen die neuen sanitären Anlagen Sicherheit und Lebensqualität. | Foto: Heks

 

100 Franken fĂĽr ein Plumpsklo

Schlechte sanitäre Versorgung ist weltweit eine der grössten Herausforderungen für Gesundheit und soziale Entwicklung. Hilfswerke und NGOs setzen deshalb auf Toiletten und sauberes Wasser. So auch das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Heks baue in vielen Ländern des Südens Toiletten, erklärt der Medienverantwortliche Lorenz Kummer. In der Heks-Kampagne «Hilfe schenken» kann man ein Plumpsklo mit einer Spende von 100 Franken finanzieren. Für den Bau einer Mädchentoilette in einer Schule muss man mit 20`000 Franken tiefer in die Tasche greifen.

In Regionen, wo es an sauberem Trinkwasser und Hygiene mangelt, sind sanitäre Einrichtungen entscheidend. Verschmutztes Wasser birgt viele Krankheitserreger. Fäkalien verursachen Durchfallerkrankungen. Laut Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich Millionen Menschen an den Folgen von Durchfall, oft Kinder unter fünf Jahren. Auch parasitäre Infektionen durch Spul-, Haken- und Peitschenwürmer sind weit verbreitet. Epidemien wie Cholera resultieren aus schlechten Abwassersystemen. Und stehende Gewässer fördern die Ausbreitung von Malaria und Dengue-fieber.

Der Mangel an Toiletten hat neben gesundheitlichen auch soziale Folgen. Durch Krankheit und Tod der Angehörigen verarmen ganze Familien. Mädchen in Entwicklungsländern bleiben der Schule fern, weil es dort an Privatsphäre und Hygiene mangelt. Frauen und Mädchen sind besonders gefährdet, Opfer von Gewalt und sexuellen Übergriffen zu werden, wenn sie ihre Notdurft im Freien verrichten müssen.

Antike: Zum Schwatz auf die Latrine

Auch wenn sanitäre Einrichtungen heute in Industrieländern selbstverständlich sind, war dies lange nicht der Fall. In der Antike hatten Griechen und Römer hohe Hygienestandards. Römer nutzten öffentliche Latrinen mit fliessendem Wasser. Zur Reinigung benutzten sie einen Schwamm am Stock, der mit Essig gereinigt wurde. Im Mittelalter verschlechterte sich die Hygiene in Europa. Menschen erleichterten sich oft in Eimern oder Gruben. In Städten kippten sie Fäkalien einfach auf die Strasse, was Krankheiten verbreitete und bestialisch stank. Auf Burgen benutzte man «Abtritte» in den Mauern, die Fäkalien fielen direkt in den Burggraben.

Im 16. Jahrhundert erfand Sir John Harington, ein Höfling von Königin Elisabeth I., das «water closet» (WC). Doch ohne Kanalisation nutzte diese Erfindung wenig. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und der Angst vor Cholera-Epidemien kam die Wende. Metropolen wie London oder Hamburg bauten Kanalisationen. Ingenieure wie Thomas Crapper und Alexander Cumming entwickelten das moderne Spülsystem und den s-förmigen Siphon. So blieben üble Gerüche in der Kanalisation.

Heute dominieren Komfort, Hightech und Sauberkeit die Badezimmer. Niemand muss mehr sein Geschäft im «Häuschen mit dem herzförmigen Guggloch» im Garten verrichten. In Japan sind beheizte Sitze und angenehm schmeichelnde Wasserstrahlen zur Reinigung bald keine Ausnahme mehr.

Das saubere Wasser hat auch den Alltag in der Primarschule von Wachiga Busha verändert. «Seit der Brunnen steht, sind die Schülerinnen und Schüler dank besserer Hygiene viel seltener krank und kommen regelmässiger zur Schule», sagt Schulleiter Masaratu. Die zwölfjährige Meseret Zeleke und ihre gleichaltrige Freundin Kahenat Yohannis gehören zu den Ersten, die sich in der Pause am Brunnen die Hände waschen. Sie sei stolz, dass sie Wasser in der Schule hätten und dass ihre Familien beim Bau des Brunnens geholfen habe, sagt Meseret. Jetzt müsse sie nicht mehr nach Hause gehen, wenn sie Durst habe, sondern könne sich hier waschen, ergänzt Kahenat.

Das nächste Projekt steht an. Etwas weiter unten auf der Wiese wird eine grosse Latrine gebaut. Getrennte Toiletten bieten den Mädchen mehr Privatsphäre. «Bisher mussten wir uns verstecken oder nach Hause eilen, wenn wir auf die Toilette mussten», sagt Kahenat.

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