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Vom «ziemlich besten Schurken» zum Botschafter Gottes

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20.10.2020
Josef Müller reist durch die Lande und erzählt, wie er vom Betrüger zum Botschafter Gottes geworden ist. Der erfolgreiche Steuerberater fand im Gefängnis zum Glauben und hat seither eine neue Mission. Der Kirchenbote traf ihn in Balsthal.

Das Leben von Josef Müller gleicht dem Plot eines Hollywood-Blockbusters: Erfolgreicher Steuerberater wird als Millionenbetrüger verhaftet und landet im Zuchthaus. Dort trifft er Gott und gibt fortan Menschen Lebensmut. Sieht und hört man Josef Müller in der reformierten Kirche Balsthal witzig und lebhaft predigen, weiss man, der Mann existiert, er ist keine Romanfigur.

«Jesus saved my life» heisst seine Stiftung, für die der 65-Jährige unterwegs ist in Kirchen, Freikirchen und Talkshows. Dort befragt man ihn nicht über seinen Glauben, sondern über seine Karriere als Geldwäscher. Über sein Leben hat Müller eine Autobiografie mit dem augenzwinkernden Titel «Ziemlich bester Schurke» geschrieben.

Erfolgreiche Karriere
Doch von Anfang an: Mit 17 Jahren wird Josef Müller durch einen Autounfall querschnittgelähmt. Trocken teilt ihm der Chefarzt mit: Sie werden den Rest ihres Lebens im Rollstuhl verbringen. Müller kämpft und startet eine Bilderbuchkarriere als Steuer- und Anlageberater. Er hat Erfolg und eröffnet in Deutschland vier Kanzleien mit fünfzig Mitarbeitern. «Wenn dich schlimme Nachrichten treffen, schüttle dich und mach weiter», lautet seine Devise. «Lebe nicht in der Vergangenheit, sondern im Heute.» Und, fügt Müller an, er sei nicht behindert, sondern lediglich gehindert.

In den 1990er-Jahren gilt der Honorarkonsul von Panama in der Münchner Schickeria als genialer Anleger. Müller geniesst das luxuriöse Leben, die teuren Limousinen, Drogen, Alkohol und leichte Mädchen. Und gerät auf die schiefe Bahn, als er das Geld amerikanischer Drogenbarone wäscht.

Tiefer Fall
Schliesslich wird er überführt, verurteilt und landet für fünfeinhalb Jahre im Zuchthaus Landsberg. Er hat zehn Millionen Euro Schulden, seine Frau brennt mit seinem Chauffeur durch. Es sei die Gier gewesen, die ihn getrieben habe, blickt er auf die Zeit zurück. «Die Gier nach mehr und mehr. Das Geld hat mich zu einem Kotzbrocken gemacht.»

Im Zuchthaus findet Müller zum Glauben. Er bekehrt sich zu Jesus und absolviert ein theologisches Fernstudium. In der Haft findet er die «Ruhe, um mit Gott zu reden». Er liest in der Bibel und merkt, dass er schon lange trotz Luxus und Alkohol eine grosse Leere empfindet. «Viele kennen diese innere Leere. Man sitzt am Abend einsam im Hotelzimmer und niemand ist da.»

Glaube und Humor
Während der Haft wenden sich Freunde und Bekannte von ihm ab. Müller wird bewusst, dass Gott bei ihm ist. «Diese Einsicht hat mein Leben vollkommen umgekrempelt, es revolutioniert», sagt er. Als ihm «diese Gnade geschenkt» wird, wird ihm das Ausmass seiner Verbrechen bewusst.

Geholfen habe ihm auch sein Humor. Den habe er gebraucht. Als er in Landsberg eintraf und ihn die Häftlinge misstrauisch musterten, zeigte er auf seinen Rollstuhl und erklärte, «meine Herren, ich habe die gleichen Erfahrungen wie Sie, ich sitze schon seit 30 Jahren».

Müller will Botschafter der Hoffnung sein und zeigen, dass Gott alles in der Hand hat. Gerade jetzt, wo die Menschen durch das Corona-Virus und die wirtschaftlichen Folgen verunsichert seien und Angst haben, brauche es diese Botschaft: «Mit Gott kann man Mauern überspringen – auch im Rollstuhl.»

Radikal und hoffnungsvoll
In der Kirche von Balsthal rief Josef Müller dazu auf, radikale und hoffnungsvolle Christen zu sein: «Radikal liebend, auch gegenüber dem Nachbarn, dem Chef und Mitarbeitenden, die dich nerven. Deine Mitmenschen sind dein Übungsfeld, nimm die Herausforderung an und lerne zu lieben.» Auch Müller musste dies lernen. Nach seiner Haft fuhr er nach Thun, wo seine Frau mit dem Chauffeur lebte, und sprach sich aus. «Auch ich musste lernen, zu vergeben.»

Tilmann Zuber, kirchenbote-online

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