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Von den SBB ins Kloster und Pfarramt

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22.11.2018
Pfarrer Armin Mettler geht im Dezember in Pension. Hinter ihm liegt eine Laufbahn, die ihn an die Hotspots der Kirchengeschichte der letzten 50 Jahre führte.

Am 16. Dezember feiert Armin Mettler in Flüh seinen Abschiedsgottesdienst. Mit 71 Jahren geht er in Pension. Damit endet eine Karriere, die sich liest wie die Chronik der Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts. Mettler war SBBler, Theologe, Klosterbruder, Chefredaktor und zuletzt Pfarrer an der ökumenischen Kirche Flüh. Die letzten elf Jahre im Leimental seien die schönsten seines Lebens gewesen, erklärt er. Hier konnte er sein ökumenisches Selbstverständnis leben. «Die Leute haben mich so akzeptiert, wie ich bin.»

Vom Zürcher Oberland nach Flüh
Mettlers Karriere verlief nicht geradlinig: Angefangen hat sie 1968. Als die Studenten in den Städten demonstrierten, bediente er als Betriebsbeamter der SBB die beschaulichen Stationen Aarthal-Seegräben und Bolligen am oberen Zürichsee. Mettler wollte etwas anderes und studierte an der KTS Basel die alten Sprachen und an der Universität Theologie. «Ich war kein 68er», erzählt er, «von den Studentenunruhen las ich in den Zeitungen».

Im Studentenhaus Alumneum in Basel lernt er den Theologen Oscar Cullmann kennen, den grossen Ökumeniker. Cullmann ist als einer der wenigen reformierten Beobachter Gast beim Zweiten Vatikanischen Konzil in Rom und kann seinen Einfluss geltend machen. Er pflegte Kontakte zu den Katholiken, Orthodoxen, Protestanten und Waldensern. Mettler ist von dieser Offenheit beeindruckt.

«Bruder auf Zeit»
Die Ökumene wird zum roten Faden in Armin Mettlers Leben und zu seiner «Herzensangelegenheit», wie er sagt. Er studiert bei den Waldensern und an der päpstlichen Gregoriana in Rom Theologie. Er reist in den Sowjetblock zu den Orthodoxen Kirchen, besucht mehrmals den Berg Athos in Griechenland und zieht sich als «Bruder auf Zeit» ins Benediktinerkloster Niederaltraich bei Passau zurück. So kommt er mit dem Kloster Mariasteinin Kontakt.

Mit Pater Vincenz will er das ehemalige Mutterhaus von Mariastein in Beinwil beleben. Der Reformierte und der Katholik begleiten die Renovation des Klosters von 1975 bis 1978 zusammen mit der Stiftung Beinwil. Sie wollen dort einen monastischen Ort aufbauen und im ökumenischen Geist leben. Doch dann der Rückschlag: Am 4. August 1978 bricht im Kloster ein Brand aus, der grosse Teile des Gebäudes und der Kunstwerke vernichtet.

Schreiben gegen die Apartheid
Armin Mettler erlebt dies als Tiefpunkt. Die Gemeinschaft kann erst 1982 in Beinwil einziehen. Mettler findet schliesslich in der «Kooperation Evangelischer Kirchen und Missionen» Kem eine Stelle als Chefredaktor. Die Kem publiziert entwicklungspolitische Beiträge zur Dritten Welt. «Wir machten keinen Hofbericht-Journalismus», sagt Armin Mettler, «wir thematisierten die Zusammenhänge zwischen der Armut in der Dritten Welt und dem Reichtum der Industrienationen.» Die Kem kritisiert die Apartheit in Südafrika und die Haltung der Schweiz und der Banken während des UNO-Boykotts. Die Kem fordert die Abschaffung des Schweizer Bankgeheimnisses und dass der Bund ein Prozent seines Budgets für die Entwicklungshilfe einsetzt. Die politischen Vorstösse treffen auf Widerstand, finanzielle Spannungen führen zum Bruch zwischen der Kem und der Basler Mission. Schliesslich gehen die beiden Werke in der neu gegründeten «mission21» auf.

Mit 55 Jahren Neues wagen
Für Armin Mettler ist dies der Zeitpunkt, um etwas Neues zu wagen. Der 55-Jährige kündigt und will eine Seelsorgestelle übernehmen. «Doch überall hiess es, ich sei überqualifiziert», sagt er, «höflich wie sie waren, meinten sie eigentlich, zu alt und zu teuer.» Fünf Jahre lang hält sich Mettler als Stellvertreter und freischaffender Theologe über Wasser. Manchmal weiss er nicht, wie er den nächsten Monat finanzieren soll.

2006 wird er Seelsorger ans Hildegard-Hospiz in Basel berufen, 2007 tritt er eine 40-Prozent-Pfarrstelle in Flüh an. «Ein Glücksfall», wie er sagt. Denn hier in der ersten ökumenischen Kirche der Schweiz erlebt Mettler die spirituelle Kraft, wenn Katholiken und Reformierte zusammenarbeiten und feiern.

Narrenpredigt als Höhepunkt
Flüh strahle nach Basel und ins Baselbiet aus, sagt Mettler. Höhepunkt ist für den Appenzeller die Narrenpredigt, die er jeweils am Sonntag vor dem Basler «Morgestraich» hält. 180 Besucher kommen dann in die Kirche.

Die Ökumene sei heute ins Stocken geraten, sagt Armin Mettler. Statt auf globale Vernetzung setze man stärker auf das Nationale und Konfessionelle. «Die eigene Identität wird höher als das gemeinsame Christliche gewertet. Das führt in eine Sackgasse.»

Tilmann Zuber, kirchenbote-online, 22. November 2018

Abschiedsgottesdienst, 16. Dezember, 10 Uhr, Ökumenische Kirche Flüh SO

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