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«Was in Oltingen nottut, ist in Binningen kein Thema»

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22.02.2018
Weniger Mitglieder, weniger Geld. Unter diesem Druck hat die Baselbieter Kirche einen fundamentalen Strukturwandel eingeleitet: Kirchgemeinden sollen stärker zusammenarbeiten. Ein Zwischenbericht.

Vier Grosskirchgemeinden und die Kantonalkirche – sieht so die Baselbieter Kirche der Zukunft aus? In nächster Zeit nicht, ist Kirchenratspräsident Martin Stingelin überzeugt. Doch dass sich die Kirchenlandschaft mit heute 35 Kirchgemeinden verändern muss, sei sicher. Über denkbare Modelle der Zusammenarbeit und neue Strukturen tauschten sich Vertreter der Kirchgemeinden an einer Veranstaltung im Dezember aus. 
Damit reagiert die Kirche auf die gesellschaftlichen Veränderungen in den letzten Jahrzehnten. Die Kirche Baselland verliert stetig Mitglieder. Im Jahr 2016 sank die Zahl um 1,7 Prozent von 90 187 auf 88 645. Die reformierte Kirche ist über-altert: Es sterben mehr Mitglieder als getauft werden. Der Anteil der über 70-Jährigen steigt, während die Zahl der Jüngeren sinkt. Damit verbunden sind finanzielle Einbussen durch geringere Steuereinnahmen und einen kleineren Kantonsbeitrag, der pro Mitglied entrichtet wird.

Vom Dorfpfarrer zum Spezialisten
Auch das Pfarrbild veränderte sich. Die Zeiten, wo der Pfarrer, der Doktor und der Lehrer im Dorf das Sagen hatten, sind vorbei. Das männliche Einzelpfarramt mit einer Pfarrfrau, die ihrem Mann im Hintergrund den Rücken freihält und selbstverständlich viele Aufgaben in der Gemeinde übernimmt, gehört der Vergangenheit an. «Die heutigen Theologiestudierenden, Männer wie Frauen, haben andere Vorstellungen vom Beruf und möchten nicht mehr mit dem Pfarramt verheiratet sein. Teilzeitstellen werden attraktiver», sagt Martin Stingelin. Die Entwicklung gehe vom Dorfpfarrer zum Spezialisten, der ausserhalb der Gemeinde wohnt, ergänzt Kirchenrat Matthias Plattner. Glaubt man der Statistik, steuern die Kirchen auf einen Pfarrermangel zu, wenn die Babyboomer-Generation in ein paar Jahren in Pension geht.Um einer weiteren Erosion entgegenzuwirken, brauche es, wie die Bestandesaufnahme durch die Visitation vor zwei Jahren zeigte, flexiblere Strukturen und eine intensivere Zusammenarbeit der Kirchgemeinden. Seit Sommer 2016 arbeitet man an der Umsetzung.Die Situation der Kirchgemeinden sei sehr unterschiedlich, erklärt Matthias Plattner. «Wir benötigen verschiedene Optionen.» Eine Gemeinde mit wenigen Hundert Mitgliedern habe andere Bedürfnisse als eine mit mehreren Tausend. «Was zum Beispiel in Oltingen nottut, ist in Binningen kein Thema», so Plattner. «Vor allem in den kleinen Kirchgemeinden im Oberbaselbiet besteht Veränderungsbedarf.» Ein halbes Dutzend Kirchgemeinden haben inzwischen Verträge zur Zusammenarbeit geschlossen. «Die Erkenntnis, dass man sich bei Kooperationen nach Aufgaben und Fähigkeiten ausrichten muss, wächst», sagt Martin Stingelin. Ein Verbund mit fünf unterschiedlichen Pfarrpersonen, mehreren Katechetinnen und einigen Sozialdiakonen erreiche heute mehr Menschen mit ebenso unterschiedlichen Bedürfnissen und Vorlieben als eine Pfarrperson im Einzelpfarramt, erklärt Matthias Plattner. 

Pensionskasse statt Gebäudeunterhalt
Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der Kirchgemeinden dürfte die Sanierung der Pensionskasse haben, welche die Kirche noch bis 2024 beschäftigt. Um das Loch zu stopfen, stellen viele Kirchgemeinden den Unterhalt ihrer Immobilien zurück. Die Kantonalkirche zahle zurzeit viel weniger Baubeiträge an die Gemeinden, sagt Martin Stingelin. «Irgendwann müssen die Gebäude aber saniert werden, und das wird ins Geld gehen.» Da werde die Zusammenarbeit mit einer Gemeinde mit hohem Sanierungsbedarf aus finanzieller Sicht wenig attraktiv, ergänzt Matthias Plattner.

Die Pflege der Kirchenmitglieder 
Nicht zuletzt gehe es beim ganzen Prozess um eine gerechte Verteilung der finanziellen Ressourcen, betont der Kirchenratspräsident. «Wir prüfen derzeit verschiedene Möglichkeiten für einen einfachen, transparenten Subventionsschlüssel.» Neben der Subventionierung der Löhne von Pfarrpersonen, allenfalls auch Sozialdiakonen und Religionslehrpersonen könne sich die Kantonalkirche vorstellen, bei den Zuschüssen zusätzliche Faktoren zu berücksichtigen, zum Beispiel den Standort eines Altersheims, eines Spitals oder einer Schule.«Auch mit den veränderten Strukturen möchte die Kirche weiterhin nahe bei und mit den Menschen sein», sagt Martin Stingelin. Funktionsfähige und attraktive Kirchgemeinden seien dafür zentrale Voraussetzung. «Gesellschaftliche Trends wie Mobilität und Überalterung können wir nicht aufhalten. Auch der Mitgliederrückgang lässt sich nicht einfach stoppen. Aber wenn wir unsere Tätigkeit nur auf den Erhalt der Mitgliedschaften ausrichten, werden wir der Sache nicht gerecht. Wir machen Jugendarbeit um der Jugendlichen willen, nicht um die zukünftigen Mitglieder zu erhalten.» Das gelte für alle Bereiche, so Stingelin. Was aber gemacht werden könne: «Dass die Kirche vermehrt Beziehungskirche wird und Wertschätzung gegenüber allen Mitgliedern zeigt, auch gegenüber denen, die sich nicht persönlich in der Kirche engagieren.».

22.02.18 | Karin Müller

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