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Was ist harmlos, was ist gefährlich?

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01.01.2016
Wer keine religiöse Erziehung genossen hat, ist anfälliger gegenüber sektenhaften Gruppierungen, sagt Religionsexperte Georg Otto Schmid von der Informationsstelle «relinfo».

Anrufe von besorgten Angehörigen sind ein wesentlicher Teil von Georg Otto Schmids Tätigkeit. Der Religionsexperte arbeitet bei der evangelischen Informationsstelle «Kirchen, Sekten, Religionen» in Rüti ZH. Angehörige bitten um Rat, wenn eine ihnen liebe Person plötzlich in einer extremen religiösen Gruppierung verkehrt. Die Problemstellung ist für Berater Schmid, der sich auch «religiöser Konsumentenschützer» nennt, immer auch eine Art Pulsnehmen bei der Szene der verschiedenen religiösen Gruppen und Organisationen. Denn diese veränderten sich dauernd.

Neue islamische Gruppen
Zwar seien es immer etwa gleichviel Betroffene, die sich auf radikale Gruppierungen einliessen. Aber die Zahl der religiösen Gemeinschaften habe insgesamt zugenommen. Neben den grossen bekannten wie etwa die «Zeugen Jehovas» oder «Scientology», gebe es unbekannte kleine Gruppen, die ausserhalb der öffentlichen Wahrnehmung «recht radikal» sein können. Neu sei, dass er Anrufe erhalte, weil junge Menschen bei fundamentalistischen islamischen Gruppen mitmachten. Beliebt seien auch okkulte Gruppierungen, etwa Satanismus und Hexenglaube. «Bei Umfragen unter jungen Menschen stelle ich fest, dass rund fünf Prozent Erfahrungen mit Satanismus haben», sagt Schmid. Zwar bleibe Jugendsatanismus oft harmlos, er könne aber auch eine höchst gefährliche Dynamik entwickeln.

Testfragen stellen
Was rät der Fachmann? Es gebe ein paar Testfragen, die Hinweise auf die Radikalität geben. Etwa, ob es in einer Gemeinschaft möglich sei, eine andere Meinung zu vertreten. Wenn gegenüber der Leitung Kritikverbot gelte, sei dies ein Alarmeichen. Andere Indikatoren seien, ob Kontakte nur noch in der Gruppe erlaubt seien, ob es Überwachungs- und Kontrollmechanismen gebe, und wie viel Geld die Gruppe nehme. Was aber, wenn ein Angehöriger oder eine Freundin bereits drin steckt? Am Anfang sei der Ausstieg am leichtesten, da reiche manchmal kritische Literatur. In einer späteren Phase könne man sich überlegen, welche Bedürfnisse die Gruppe dem Betroffenen biete und versuchen, diese gleichfalls alternativ abzudecken. Am allerwichtigsten sei aber, den Kontakt zu halten. Denn die allermeisten Mitglieder radikaler Gruppen möchten früher oder später aussteigen. Ob ihnen dies gelingt, hänge auch davon ab, ob sie noch Kontakte in die «Welt draussen» haben.
Wer ist anfällig für Sekten und radikale religiöse Gruppen? Ein Beitritt zu einer radikalen Gruppe geschehe meist aus einer Krisensituation heraus, etwa eine berufliche Sackgasse, eine schwierige Krankheit oder Einsamkeit. Gegen Sekten resistenter seien Menschen, welche eine weltanschauliche Bildung genossen haben. Wer hingegen in religiösen Fragen eigentlich keine Sprache hat, ist den Sektenmissionaren gegenüber hilfloser.


Georg Schmid bestreitet am 10. April in Schaffhausen eine Veranstaltung der Evangelischen Frauenhilfe, siehe Agenda in den Gemeinden.

Barbara Helg

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19.02.2013: «Der selbst gebastelte Glaube nimmt zu»

Links:
Agenda der Schaffhauser Gemeinden

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