Liegenschaften sind nicht nur ein Segen. Vor allem der Unterhalt der historischen Gebäude kostet Geld. Das erfahren die Kirchgemeinden und die Stiftung Kirchengut. Die Stiftung besitzt im Baselbiet 33 reformierte Kirchen, 29 Pfarrhäuser und ein Sigristenhaus samt zugehörigen Arealen sowie Friedhöfe und Ländereien. Bis auf zwei Kirchen und vier Pfarrhäuser stehen sie alle unter Denkmalschutz. Gegen Entgelt stellt die Stiftung den Kirchgemeinden die historischen Bauten zur Verfügung.
Die Stiftung Kirchengut ist dem Regierungsrat des Kantons unterstellt. Die reformierte Kirche hat drei Sitze im siebenköpfigen Gremium. Die Stiftung bewirtschaftet ihre übrigen Vermögensbestandteile nach kaufmännischen Grundsätzen. Sie kann sie veräussern, im Baurecht abgeben, verpachten oder vermieten und Grundeigentum erwerben. Alle Einnahmen müssen für den Stiftungszweck, den Erhalt der historischen Bauten, verwendet werden.
2,2 Millionen Sanierungsbedarf
Land gibt die Stiftung seit 2005 nur noch im Baurecht ab. «Würden wir es verkaufen, gehen die Reserven irgendwann einmal zu Ende», erklärt Verwalter Martin Innerbichler: «Mit den Zinseinnahmen können wir die Renovationen finanzieren, ohne unsere Substanz zu verkaufen.» Der Sanierungsbedarf beträgt 2,2 Millionen Franken im Jahr, schätzt Innerbichler. Die Hälfte der Renovierungskosten übernehmen die Kirchgemeinden.
Zurzeit plant die Stiftung eine Teilrevision ihres Dekrets. Demnach können Gemeinden neu Pfarrhäuser und Kirchen an die Stiftung zurückgeben. Als Gründe nennt die Stiftung den Wandel in der Kirchenlandschaft. Sie rechnet damit, dass die Pfarrstellen reduziert werden und etliche Kirchgemeinden ihre Pfarrhäuser in den kommenden Jahren nicht mehr brauchen. Wegen möglicher zukünftiger Fusionen von Kirchgemeinden erwartet die Stiftung zudem, dass auch für gewisse Kirchen kein Bedarf mehr besteht.
Kirchen lösen Emotionen aus
Kirchenratspräsident und Kirchengut-Stiftungsrat Martin Stingelin geht nicht davon aus, dass nun alle Kirchgemeinden ihre alten Kirchen zurückgeben wollen. «Bisher haben einzelne dieses Bedürfnis angemeldet.» Dies sei heikel. «Die Schliessung von Gotteshäusern löst Emotionen aus. Die Leute haben in der Kirche etwas erlebt und mit ihr eine Verbindung», so Stingelin. Darum seien die Hürden für eine Rückgabe bewusst hoch. Neben dem Beschluss der Kirchenpflege muss auch die Kirchgemeinde einer Rückgabe zustimmen.
Leer stehende Kirchen?
Im Gegensatz zu Pfarrhäusern, deren Instandhaltung über den Mietzins finanziert werden kann, stellten Kirchen die Stiftung vor besondere Herausforderungen, erklärt der Kirchenratspräsident. «Für den Unterhalt kann es am billigsten sein, die Kirchen nicht zu benützen. Das Risiko, dass sie nach der Rückgabe geschlossen sind, ist darum gross.» Dies bestätigt Martin Innerbichler. «Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, haben in der Regel einen höheren Unterhaltsbedarf», sagt Innerbichler. Da es sich um Kulturgüter handelt, darf die Stiftung sie nicht verkaufen.
Kritik an der Revision
Nicht alle begrüssen die Revision des Stiftungsdekrets. Kritiker sehen es als falsches Signal, wenn Kirchen leer stehen. «Aus meiner Sicht ist das neue Dekret ein Ausverkauf von Pfarrhäusern und Kirchen», sagt etwa Franziska Buonfrate, Präsidentin der Kirchenpflege Tenniken-Zunzgen. Sie stört sich daran, dass die Stiftung eine Gewinnmaximierung um jeden Preis anzustreben scheint.
Konkret geht es um den Chilch-acher, eine an das Pfarrhaus angrenzende Wiese am Tenniker Dorfrand. Dort plant die Stiftung eine Überbauung. «Von 324 angefragten Stimmberechtigten haben sich 290 dagegen ausgesprochen und die Petition unterschrieben, die einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Landressourcen fordert und dabei auch das Ensemble aus Kirche, Pfarrhaus und Land als Kulturgut schützen möchte», sagt Buonfrate. «Das Problem liegt beim Mitgliederrückgang. Diesen muss die Kirche angehen, bevor man die wertvollen Grundstücke überbaut und Kulturgüter einfach dem Profitdenken überlässt.»
«Kann man das Land nicht bewirtschaften, fehlt der Ertrag für den Unterhalt der Gebäude», kontert Martin Innerbichler. So sieht dies auch Martin Stingelin: «Die Stiftung braucht das Geld, damit die historischen Gebäude existieren können.» In Tenniken sei man mit der Einwohnergemeinde im Gespräch, um im Varianzverfahren mit allen Anspruchsgruppen verschiedene Konzepte zu entwickeln, sagt Innerbichler. Das letzte Wort wird die Gemeindeversammlung haben.
Karin Müller, 3. Juni 2019
Was sind der Kirche die alten Kirchen wert?