Weben am Gebetsteppich für den Frieden
Wer am 28. Februar pünktlich ins Zürcher Grossmünster kam, musste stehen oder sich auf den Boden setzen. Die Kirche war um 18 Uhr bereits bis auf den letzten Platz besetzt. Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist, der auch das Zürcher Forum der Religionen präsidiert, hatte ein interreligiöses Friedensgebet für die Ukraine organisiert.
Vertreterinnern und Vertreter der reformierten, orthodoxen, römisch-katholischen und christkatholischen Kirchen in Zürich sowie Repräsentantinnen und Repräsentanten der islamischen, jüdischen, hinduistischen und buddhistischen Gemeinschaften gestalteten die eindrückliche Feier gemeinsam. Im Kirchenschiff sassen auch Regierungsrätinnen und Regierungsräte, Stadträtinnen und Stadträte sowie der Zürcher Kirchenratspräsident Michel Müller und Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).
Botschafterinnen des Friedens
Musikalisch begleitet wurde die Feier von einem Chor der serbisch-orthodoxen Kirche, gemeinsam sang die Gemeinde Taizé-Lieder. Und während des vom Chor gesungenen Unservaters waren alle Menschen eingeladen, in ihrer eigenen religiösen Tradition zu beten und so an einem vielstimmigen Gebetsteppich zu weben. «Indem wir beten, halten wir uns, obwohl wir in unserer Angst den Boden unter den Füssen verlieren», sagte Sigrist.
Angesichts der schrecklichen Bilder vom Krieg in der Ukraine dürfe die Schweizer Regierung «nicht wegschauen», forderte Noam Hertig. Und weiter sagte der Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich: «Wir dürfen nicht akzeptieren, dass die biblischen Werte, welche die Grundlage unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft bilden, wie die Freiheit, die Würde eines jeden als Gottes Ebenbild erschaffenen Individuums, durch totalitäre Ideologien angegriffen werden, die auf Kosten der Schwachen die absolute Macht des Stärkeren propagieren.» Auch Kaser Alasaad, Imam der islamischen Gemeinschaft in Volketswil, verurteilte die russische Aggression mit deutlichen Worten.
Das schrecklich aktuelle Kriegslied
Die Pfarrerin Barbara Oberholzer, Co-Dekanin der reformierten Kirchgemeinde Zürich, liess das erschreckend aktuelle Kriegslied von Matthias Claudius (1740 – 1815) sprechen: «'s ist leider Krieg – und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein! / Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen / Und blutig, bleich und blass, / Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen, / Und vor mir weinten, was?» Der alte Text führe noch immer eindringlich vor Augen, was Krieg bedeute, erklärte Oberholzer.
Gegen Ende der Feier trat auch Daniel Schärer ans Mikrofon. Der Diakon an der russisch-orthodoxen Auferstehungskirche in Zürich dankte im Namen seiner Gemeinde allen Menschen, die ins Grossmünster gekommen waren, um für den Frieden zu beten. «Ich glaube, man kann nicht genug betonen, wie wichtig und auch wie stark das Gebet zu Gott ist.» Er rief dazu auf, das Gebet für den Frieden fortzuführen. Ob in Gemeinschaft oder allein zu Hause.
Viele Besucherinnen und Besucher des Friedensgebets nahmen im Anschluss an der Kundgebung auf der anderen Seite der Limmat teil. Auf dem Münsterhof zeigten rund 20'000 Menschen ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und protestierten gegen den durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlenen Krieg. Viele Menschen zündeten ein Friedenslicht an.
Felix Reich, reformiert.info
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