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Welterfolg: Reportagen aus der Hölle

von Tilmann Zuber
min
15.09.2021
Sie hat das Bild der Menschen von Hölle und Paradies tiefer geprägt als die Bibel. Trotzdem hat kaum jemand die 14'233 Verse der «Divina Commedia» gelesen. Den Autor des Jahrtausendwerkes machte sie zum Superstar der italienischen Literatur und Sprache. Er starb am 14. September vor 700 Jahren.

«Ein Strom von Blut, in dem gesotten werden, Die mit Gewalt an anderen sich vergangen» So beschreibt Dante die Qualen der Sünder in der Hölle. Wer kann sich schon diesem Vers entziehen? Die Vermutung, Dante wollte im 14. Jahrhundert mit Ängsten der Kirche gefügig machen, zielt ins Leere. In der Hölle winden sich unter Qualen zahlreiche Päpste und Bischöfe, aber auch bekannte Zeitgenossen Dantes, Wucherer, Verfressene, Verräter und unfähige Politiker, die er alle beim Namen nennt. 

Die «Göttliche Komödie» handelt von einer Reise Dantes an der Seite des römischen Dichters Vergil. Zusammen steigen sie durch das Höllentor mit der Aufschrift «Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren» in den trichterförmigen Schlund, der bis zum Erdmittelpunkt reicht. Auf den Stufen in die Tiefe begegnen sie in verschiedenen Höllenkreisen den Sündern. Im zweiten und dritten Band der Geschichte gelangen die beiden Reisenden dann über Fegefeuer ins Paradies. Während Dantes Himmel lustlos und kurz ist, ist die ganze Welt vom Inferno fasziniert. 

Der globalen Wirkung geht Franziska Meier in ihrem Buch «Besuch in der Hölle» nach. Wie kommt es beispielsweise, dass sich heute Inferno-Darstellungen in japanischen Mangas finden? 
Die gestellten Fragen kann das Buch nicht alle beantworten. Deshalb lässt die Autorin andere zu Wort kommen. Zum Beispiel Voltaire, der nicht viel von der «Commedia» hielt und ihren Erfolg damit erklärte, dass das Meisterwerk der italienischen Literatur kaum Leser fand. 

Kuss und Höllentor
Das ist auch heute noch so. Auch wenn sie die «Commedia» selbst nicht gelesen haben, so können doch viele Menschen über das Werk reden. Geschichten darin sind im kollektiven Gedächtnis der Menschheit verankert, man kennt einzelne Protagonisten. Dies ist auch den zahllosen Künstlern zu verdanken, die sich vom Werk inspirieren liessen.

Einer davon ist der französischen Bildhauer Auguste Rodin. Seine Skulptur «Der Kuss» stellt Francesca da Rimini dar im Moment, in dem sie und Paolo Malatesta ihre Liebe entdecken. Ertappt von ihrem Ehemann, werden die beiden Liebenden getötet. Später begegnet Dante den beiden Ehebrechern in der Hölle. Rodins «Höllentor», die sieben Meter hohe und acht Tonnen schwere Bronzeskulptur steht seit 1949 neben dem Eingang des Zürcher Kunsthauses. 

Tatsache ist: Dantes Einfluss ist auch heute noch vielenorts sichtbar. Vor allem natürlich in Italien. Mit der «Divina Commedia», einst in toskanischer Umgangssprache geschrieben, löste das Italienische das Lateinische als Schriftsprache ab. Gleichzeitig wurde ihr Autor zum Nationalheiligen. So ist denn heute eine italienische Stadt ohne eine «Piazza Dante» schlichtweg nicht vorstellbar. 

Fazit: Ein empfehlenswertes Buch, das auch als Nicht-Theologe lesbar und unterhaltsam ist. 

Philippe Welti, kirchenbote-online.ch



Besuch in der Hölle – Dantes Göttliche Komödie, Franziska Meier, 214 Seiten, Verlag C.H. Beck, im Buchhandel erhältlich, Fr. 41.90

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