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Fokus Geld und Nachhaltigkeit

«Wenn alle in eine Richtung ziehen, kann man Veränderungen erwirken»

von Carmen Schirm-Gasser
min
08.03.2024
«Nachhaltige Anlagen tragen zum Vermögensaufbau bei und bewegen gleichzeitig etwas», heisst es in der Werbung der Banken. Welche Stolpersteine es dabei gibt und womit die grösste Wirkung erzielt werden kann, erklärt Dominik Boos, Dozent an der ZHAW.

Dominik Boos, was zeigen die Forschungen? Aus welchen Gründen wollen Menschen nachhaltig investieren?

Es gibt drei Gründe dafür. Zum einen möchten Menschen etwas in der Welt verändern, sie wollen einen sogenannten Impact, eine Wirkung, erzielen. Der zweite Grund ist, dass man gewisse Werte widerspiegeln will. Ist man Veganer, möchte man vermutlich nicht in Fleischfirmen investieren. Auch Alkohol-, Tabak- oder Rüstungsfirmen werden oft ausgeschlossen. Menschen machen das primär aus ihrer Werthaltung heraus und nicht, weil sie direkt versuchen, etwas zu verändern. Der dritte Grund sind finanzielle Motive. Man investiert in Firmen, bei denen man Renditemöglichkeiten sieht, wenn sie sich nach-haltig ausrichten. Oder man investiert in E-Autos, weil sie unter Um-ständen profitabler sind als Benziner. Es stecken also nicht ethische, sondern finanzielle Gründe dahinter.

Erfüllen nachhaltige Produkte diese Erwartungen auch?

Man muss das Motiv hinter den Produkten verstehen. Es bleibt oft unklar, ob ein Fonds, der das Wort Nachhaltigkeit verwendet, tatsächlich eine Wirkung erzielen will. Es wird oft nicht deklariert, ob der Fokus im Bereich Klima, Umwelt oder bei sozialen Themen gesetzt wird. Ich habe mit Kolleginnen und Kollegen kürzlich eine Studie publiziert, die aufzeigte, dass nur 20 Prozent der nachhaltigen 3a-Fonds-Produkte, die angeboten werden, mit wirkungsorientierten Kriterien anlegen.

Es bleibt oft unklar, ob ein Fonds, der das Wort Nachhaltigkeit verwendet, tatsächlich eine Wirkung erzielen will.

Also lieber die Finger davonlassen?

Nein. Es ist vielmehr nötig, sich damit zu beschäftigen. Wenn man eine Nachhaltigkeitswirkung erzielen will, ist es ratsam, beim Bankberater nachzufragen, worum es sich bei den Produkten genau handelt. Oder man sollte selbst recherchieren. Orientieren kann man sich an den Ratingagenturen (unabhängiges Unternehmen, das Firmen bewertet), die Unternehmen prüfen. Aber auch bei den Ratingagenturen muss man nachfragen, was genau diese bewerten. Es gibt Ratings, die nur die finanziellen Aspekte widerspiegeln, nicht jedoch die effektiven Umweltaspekte oder die sozialen Aspekte.

 

Der Ökonom Dominik Boos ist Dozent an der ZHAW, School of Management and Law, Winterthur. Er leitet den Studiengang CAS Nachhaltiges Anlegen.

 

Ich höre aus Ihrer Antwort heraus, dass viel Greenwashing betrieben wird, richtig? Es werden Produkte als nachhaltig verkauft, die es aber gar nicht sind.

Wenn Sie Leute auf der Strasse fragen, was sie von nachhaltigen Anlagen erwarten, sagen die meisten, dass man damit einen Impact erzielen sollte. Bei den meisten Produkten jedoch wird nicht ein Impact verfolgt, sondern ein finanzielles Ziel. Das ist nicht das, was die Kunden erwarten und suchen. Um mehr Transparenz zu schaffen, hat der Bundesrat Ende 2022 einen Standpunkt erarbeitet, der aktuell in der Vernehmlassung steht. Künftig sollen finanziell orientierte Strategien nicht mehr als nachhaltig bezeichnet werden dürfen. Nur Strategien, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern. Sollte dieser Regulierungsentwurf durchkommen, wird es künftig einfacher für Anleger, denn die Produkte müssen besser deklariert werden.

Wenn ich in ein nachhaltiges Produkt beispielsweise für die Umwelt investiere, habe ich als Einzelperson wirklich einen Einfluss?

Sie und ich allein haben natürlich keine Wirkung. Viele Leute müssen das Gleiche tun, sonst passiert nichts. Aber wenn alle in eine Richtung ziehen, dann besteht immer die Möglichkeit, dass man Veränderungen erwirken kann. Es gibt nur ein Problem dabei.

Wenn man eine Wirkung erzielen will, sollte man gezielt in Firmen investieren, die zwar aktuell noch einen grossen Fussabdruck haben, deren Besitzer aber glaubhaft versuchen, das Verhalten dieser Firma zu verändern.

Das wäre?

Im Moment investieren viele «nachhaltige» Fonds gezielt in Firmen, die einen sehr kleinen Fussabdruck haben, also fast kein CO2 ausstossen. Das ist nur bedingt sinnvoll. Diese Firmen sind schon grün. Wenn man eine Wirkung erzielen will, sollte man gezielt in Firmen investieren, die zwar aktuell noch einen grossen Fussabdruck haben, Stahlproduzenten beispielsweise, deren Besitzer aber glaubhaft versuchen, das Verhalten dieser Firma zu verändern, zum Beispiel indem sie ihre Energiequelle verändern. In diesem Fall hat man einen Hebel in der Hand und kann eine braune Firma in eine grüne Firma umwandeln.

Muss man eine Renditeeinbusse in Kauf nehmen, wenn man nachhaltig investiert?

Die Erfahrungen sind gemischt. Die Mehrzahl der Studien zeigen, dass man damit eine bessere finanzielle Performance erzielt. Die meisten Anleger jedoch möchten eine impactorientierte Strategie (eine Wirkung) verfolgen. Für diese gibt es gewisse Modelle, die darauf hindeuten, dass man eventuell eine geringe Einbusse bei der Rendite hinnehmen muss.

Investieren Sie selbst in Nachhaltigkeitsprodukte?

Ja. Der grösste Teil meiner Aktienprodukte ist nachhaltig investiert.

Man kann theoretisch sein ganzes Portfolio nachhaltig ausrichten, das ist eigentlich kein Problem. Man darf jedoch nicht einseitig alles in einen Sektor geben.

Wie viel Prozent des Vermögens kann man ohne Risiko in nachhaltige Produkte investieren?

Man kann theoretisch sein ganzes Portfolio nachhaltig ausrichten, das ist eigentlich kein Problem. Man darf jedoch nicht einseitig alles in einen Sektor geben, zum Beispiel in Solar- oder Windenergie. Das wäre ein finanzielles Risiko. Man sollte besser in verschiedene Sektoren investieren und damit das Portfolio breit streuen.

Was können wir noch tun?

Wichtig ist, dass man sich als Aktionär als Besitzer der Firmen versteht. Als verantwortungsvoller Besitzer sollte man den Dialog mit dem Management suchen und die Stimmrechte wahrnehmen. Das ist ein wichtiger Pfeiler, um Firmen zu verändern. Das machen viele Pensionskassen bereits so. Sie versuchen dann beispielsweise, eine Stahlfirma dazu zu bewegen, eine grüne Technologie zu adoptieren. Auf ähnliche Weise könnten Sie bei Ihrer eigenen Liegenschaft Einfluss nehmen. Sie könnten versuchen, die Eigentümer von einer umweltfreundlichen energietechnischen Sanierung zu überzeugen.

Zusammenfassend Ihre Tipps, wenn ich nachhaltig anlegen will?

Es ist wichtig, dass wir unsere Interessen kundtun und zum Beispiel die Pensionskassen dazu bewegen, das Richtige zu tun, oder auch die Banken dazu animieren, die richtigen Produkte zu liefern. Dafür ist es nötig, beim Bankberater genau nachzufragen oder selbst nach Produkten mit den richtigen Labels zu suchen.

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