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Gastbeitrag

Wenn das Leben allzu glatt läuft …

von Martina Tapernoux
min
23.03.2024
Viele Menschen sind auf der Strasse. Sie sind in Feststimmung, denn das Passafest steht bevor. Das römische Militär ist in Alarmbereitschaft. Menschenansammlungen sind gefährlich für Unrechtsregime. Das war damals in Jerusalem so und ist es auch heute. Ein Gastbeitrag von Martina Tapernoux.

 Und dann kommt er. Jesus. In diese aufgeheizte Stimmung hinein. Die Menschen bejubeln und feiern seinen Einzug und ihn als ihren Retter. So erzählt die Bibel vom Palmsonntag. 

Alles läuft friedlich und geordnet. Wie am Schnürchen. Zwei Jünger finden einen Esel, der noch nicht zugeritten ist und bringen ihn zu Jesus. So wie es im Propheten Sacharia 9,9 steht: Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem, sieh, dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich ist er, demütig und auf einem Esel reitend, auf einem Fohlen, einem Eselsfohlen.

Das klingt zu einfach. Hier reitet schliesslich ein junger Mann seiner Hinrichtung entgegen.

Ganz ehrlich: Das kann nicht sein. Reiten auf einem noch nicht zugerittenen Esel ist hohe Kunst. So ein Esel ist wild und schlägt um sich. Er lässt sich nicht seelenruhig Tuch um Tuch belegen und läuft dann brav mit seinem Reiter durch die jubelnde Menge. Und trotzdem wird der Einzug Jesu in Jerusalem so beschrieben. Alles verläuft glatt. Alles ist in Ordnung. Diesen Eindruck vermittelt die Geschichte.

Etwas in mir sträubt sich gegen dieses Bild. Das klingt zu einfach. Hier reitet schliesslich ein junger Mann seiner Hinrichtung entgegen. Er ist unschuldig. Und seine Arbeit ist noch lange nicht fertig. Eine Stimme in mir sagt, dass Gottes Heilsplan dahintersteckt und dass alles so sein muss. Und dass es richtig ist. Eine andere Stimme in mir möchte laut «Halt!» schreien und diesen Ablauf stören. Der Mann muss doch aufgehalten werden!

Wenn in meinem Leben alles läuft wie geschmiert, verstehe ich das als Einverständnis Gottes. Ein problemloses Leben interpretiere ich so, dass Segen liegt auf dem, was ich mache. Ganz anders ist es, wenn ich stolpere. Stolpersteine verstehe ich als Wegweiser Gottes. Sie bringen mich zum Nachdenken. Aber stimmt das?

Vermutlich ist es falsch, ein reibungsloses Leben dem Einverständnis Gottes gleichzusetzen.

Übertragen auf den Einzug Jesu in Jerusalem würde das heissen, dass Gott den Weg seines Sohnes zu seiner Hinrichtung für richtig hielt. Hätte Gott Jesus Steine in den Weg gelegt, wenn er der Meinung gewesen wäre, dass Jesus nicht nach Jerusalem gehen sollte? Hätte der Esel Jesus abgeworfen, wenn Gott andere Pläne gehabt hätte? Ich ringe mit mir. Ich bin ganz entschieden der Meinung, dass eine Hinrichtung niemals gut und richtig ist. Trotzdem hat Gott den glatten Ablauf damals in Jerusalem nicht gestört.

Vermutlich ist es falsch, ein reibungsloses Leben dem Einverständnis Gottes gleichzusetzen. Schicksalsschläge treffen Menschen häufig mitten im Alltag. Das scheinbar glatt laufende Leben wird plötzlich unterbrochen. Ob Jesus das damals auch erlebt hat?

Wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass das Leben zerbrechlich ist. Zur Zeit Jesu war das den Menschen vermutlich noch viel bewusster als uns heute. Trotzdem oder gerade deshalb haben sie damals den Einzug Jesu gefeiert. Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Menschen, die in schwierigen Situationen sind, haben dafür ein besonderes Gespür. Sie sind sich bewusst, dass die guten Momente nicht selbstverständlich und deshalb umso wertvoller sind. Vielleicht – auch wenn das paradox klingt – entsteht gerade aus dieser Unsicherheit heraus Lebensfreude.

Ich wünsche Ihnen einen guten Palmsonntag. Feiern sie ihn, diesen grossartigen Tag.

 

Martina Tapernoux ist Gemeindepfarrerin in Heiden und seit 2021 Kirchenratspräsidentin der Evangelisch-reformierten Landeskirche beider Appenzell.

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