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Humor im Alterszentrum

Wenn der Pfarrer die Kanzel gegen die Bühne tauscht

von Tilmann Zuber
min
04.09.2024
Stéphane Barth ist Pfarrer von Breitenbach. Aber manchmal setzt er sich eine rote Nase auf und verwandelt sich in einen Clown. Zur Freude der Heimbewohner.

Alterszentrum Bodenacker in Breitenbach: Nur wenige Senioren sitzen in der Cafeteria und plaudern, ansonsten herrscht Stille im Foyer. Die Bewohner haben sich nach dem Mittagessen in ihre Zimmer zurückgezogen, um der Sommerhitze zu entfliehen. Plötzlich gehen die Türen auf, und mit einem lauten Knall kommen Frau Dr. Mimi und Louis Saxophon herein. Ihre roten Knollennasen leuchten. Sie in hellblauer Tracht, auf dem Kopf adrett ein kleines Hütchen. Er ertrinkt fast in seiner übergrossen Jacke, auf dem grauen Haar sitzt eine Schiffermütze.

Im zweiten Stock warten schon vierzig Betagte. Einige sind noch rüstig und klatschen laut mit, andere sitzen im Rollstuhl. Die beiden Kontaktclowns öffnen ihren grossen Koffer, den sie für ihre Reise ins Tessin packen. Natürlich stellen sie sich ungeschickt an und geraten sich in die Haare. Als sie das Lied «Det äne am Bärgli, det staht en wissi Geiss» anstimmen, singen die Seniorinnen und Senioren begeistert mit.

Seit 26 Jahren Pfarrer

Für Clown Louis Saxophon ist der heutige Auftritt im Bodenacker wie eine Premiere, entsprechend sei er nervös, gesteht Stéphane Barth, wie er im bürgerlichen Leben heisst. Eigentlich kennt er den grossen Auftritt: Seit 26 Jahren ist Barth Pfarrer, seit 16 Jahren in der Kirchgemeinde Breitenbach im Kanton Solothurn. In seiner Freizeit tritt er mit seiner Clownpartnerin Johanna Brühlmann in den umliegenden Alters- und Pflegeheimen auf.

Ziel der Kontaktclowns ist es, dass sich die Menschen öffnen und Freude haben.

Mit Brühlmann spielt Barth gerne zusammen, schnell werfen sie sich Stichworte zu und improvisieren. Die beiden verkörpern verschiedene Charaktere, wie der weisse Clown oder der dumme August in der Zirkusmanege, sagt Barth. Als Clown macht er «gerne Seich», überbordet, bis ihn Frau Dr. Mimi zurückpfeift.

Die Clownerie war für Stéphane Barth ein lang gehegter Wunsch. Er liebt die spontane Komik, bei der etwas aus dem Moment heraus entsteht. Vor 15 Jahren besuchte er einen Clownkurs am Schwager Theater in Olten. Doch der Pfarrer traute sich nicht, die Kanzel gegen die Bühne einzutauschen. «Ich habe zehn Jahre gebraucht, um in beide Rollen zu schlüpfen», sagt Barth, und den Clownkurs bei der Theologin Gisela Matthiae und Clown-Pfarrer Matthias Fischer. In diesem Kurs war er neben 13 Frauen der einzige Mann. «Vielleicht lastet so viel auf den Pfarrern, dass sie erst lernen müssen loszulassen, bevor sie in eine andere Rolle schlüpfen können», sagt Stéphane Barth.

Die Leute haben gemerkt, dass die Kirche heute nicht mehr so ernst und stur ist.

Humor tut gut

Barth merkt, dass die Auftritte den Bewohnern der Altersheime gut tun. Manche sind dement und können sich kaum noch unterhalten. Aber auf die Clowns reagieren sie fröhlich und machen mit. «Ziel der Kontaktclowns ist es, dass sich die Menschen öffnen und Freude haben», sagt Barth. Die Szenen und Lieder, die Frau Dr.  Mimi und Louis Saxophon spielen, stammen aus der Jugendzeit der Heimbewohner.

Die Reaktionen sind durchwegs positiv. «Die Leute haben gemerkt, dass die Kirche heute nicht mehr so ernst und stur ist», sagt Stéphane Barth. Ein Pfarrer als Clown vermittle das Bild, dass Gott humorvoller sei, als man gemeinhin glaube. «Gott hat Humor», ist Barth überzeugt. Und Humor helfe: «Man nimmt sich selbst nicht so ernst. Ängste und Sorgen treten etwas in den Hintergrund, man kann mit schwierigen Situationen besser umgehen.»

Die Vorstellung im Alterszentrum Bodenacker neigt sich dem Ende zu. Mit grosser Geste verabschieden sich Frau Dr. Mimi und Louis Saxophon von den Bewohnern, winken und gehen zum Lift. Auf der Pflegestation wartet der nächste Auftritt.

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