Wenn die Trauergäste aus ganz Europa kommen
«Es ist untersagt, sich in den Friedhofanlagen zu verpflegen.» Und: «Öllampen in einem Sandbecken im Aufbahrungsraum sind zulässig, Räucherstäbchen nicht.» Und: «Erlaubt ist für die Feier in der Abdankungshalle das Ritual mit Tonkrug, sofern ein zusätzliches Gefäss das heraustropfende Wasser auffängt.» Diese und zehn weitere Punkte regeln neuerdings den Ablauf von hinduistischen Abdankungen in der Friedhofanlage von Burgdorf.
Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die kleine Stadt im Emmental mit ihren 16'000 Einwohnern für hinduistische beziehungsweise tamilische Abdankungsfeiern nicht wirklich eingerichtet ist; die Infrastruktur stösst hier an ihre Kapazitätsgrenzen. Meist erscheint eine grosse bis sehr grosse Zahl Menschen aus der tamilischen Community, um einem ihrer Verstorbenen das letzte Geleit zu geben. «Die Trauergemeinde kommt nicht nur aus der Region, sondern aus der ganzen Schweiz», sagt Urs Lüthi, Chef der örtlichen Einwohner- und Sicherheitsdirektion. Das führe an den betreffenden Tagen zu Parkierungsproblemen und Beeinträchtigungen im übrigen Friedhofbetrieb. Zudem lasse sich der hinduistische Ritus in einem traditionell schweizerischen und eher kleinen Abdankungsgebäude nicht eins zu eins durchführen.
Bern ist eingerichtet
Wenn man die jährliche Anzahl solcher Feiern in Burgdorf auch an einer Hand abzählen kann, sahen sich die Stadtbehörden dennoch veranlasst, ab August 2016 keine hinduistischen Abdankungen von auswärtigen Personen mehr zuzulassen. Man verweist die Trauerfamilien seither an den Bremgartenfriedhof in Bern, der über die nötige Infrastruktur verfügt. Hinduistische Familien aus Burgdorf können die heimische Anlage jedoch nach wie vor nutzen. Dabei müssen sie aber Regeln befolgen, die der Gemeinderat im vergangenen Herbst – nach Anhörung der tamilischen Gemeinschaft – erlassen hat.
Grosse Gästeschar
In der Schweiz leben ungefähr 50'000 Hindus, davon 40'000 mit tamilischem Hintergrund. Welche Möglichkeiten haben sie in den Kantonen, ihre Verstorbenen nach eigener Tradition zu verabschieden? Zunächst: Kleine Regionalzentren bieten kaum Kremationen nach hinduistischem Ritual an. Nicht einmal in der Hauptstadt des Kantons Aargau ist dies der Fall. «Traditionelle hinduistische Abdankungen beziehungsweise Kremationen werden in Aarau so nicht durchgeführt», verlautet von der Pressestelle der Stadt.
Es ist vorab das Städtedreieck Basel, Bern und Zürich, das in je einem grossen örtlichen Friedhof hinduistische Abdankungen ermöglicht. Im Friedhof Nordheim in Zürich zum Beispiel finden jährlich zwischen zehn und 15 Kremationen nach diesem Ritus statt. «Der Ablauf ist anders, als wir es von unseren Abdankungen gewohnt sind», sagt Rolf Steinmann, Leiter Bestattungs- und Friedhofteam der Stadt Zürich. «Zu einer solchen Feier kommen schnell einmal 200 bis 300 Personen zusammen; dabei wird auch gegessen und getrunken, der Priester zelebriert das Ritual und entzündet Räucherstäbchen, Trauergesänge ertönen – es ist emotional und sehr eindrücklich.» Anschliessend wird der Sarg zur Einäscherung in den Ofenraum getragen. In Sri Lanka ist es üblich, dass der älteste Sohn des Verstorbenen das Feuer entfacht; in der Schweiz drückt er symbolisch den Knopf der elektrisch gesteuerten Feuerungsanlage.
Der Friedhof Nordheim sei wegen seiner Grösse für hinduistische Abdanken besonders geeignet, sagt Steinmann. Eine der beiden Abdankungshallen fasse 400 Personen. «Wenn viele Leute kommen, braucht es eine entsprechende Infrastruktur und das Personal.» Natürlich sei dann auch der Reinigungsaufwand etwas höher. Deshalb mache es durchaus Sinn, dass gut eingerichtete Friedhöfe eine interreligiöse Zentrumsfunktion wahrnähmen.
Der Göttin Kali geweiht
So auch der Bremgartenfriedhof in Bern, dessen Abdankungskapelle mit 300 Sitzplätzen Angehörigen aller Weltreligionen offensteht. Das Angebot werde unter anderem von tamilischen Familien genutzt, die in einem Umkreis von ungefähr 20 Kilometern lebten, sagt Friedhofleiter Thomas Hug. Deren Gäste kommen bei Trauerfeiern aber von weit her, sogar aus dem näheren Ausland. Da sich auf dem Friedhofgelände auch das einzige Krematorium der Stadt befindet, sind alle Voraussetzungen für hinduistische Abdankungen gegeben, denn die Einäscherung des Verstorbenen ist ein wichtiger Teil der Zeremonie. Bei der Kapelle soll demnächst sogar eine der indischen Göttin Kali geweihte Stelle entstehen, wo nach der Kremation das spirituelle Reinigungsritual stattfinden kann.
Im Bremgartenfriedhof finden mehr tamilische Abdankungen statt als noch vor zehn, zwölf Jahren; jährlich sind es zwischen 15 bis 20. Nicht unbedingt, weil andere Gemeinden ihre tamilischen Bewohner zunehmend nach Bern verweisen, sondern, weil manche der ersten Einwanderer aus Sri Lanka nach und nach ins Sterbealter kommen. Die Frage, wo Mitbürger aus diesem Kulturkreis ihre Abdankungen feiern können, bleibt aktuell.
Hans Herrmann, reformiert.info, 3. April 2018
Wenn die Trauergäste aus ganz Europa kommen