Büchertipps für den Sommer
Wenn Oma im Café ohne Namen verschwindet, Hannah Arendt im Comic auftaucht und die Bäume wieder wachsen
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03.07.2023
In den Ferien kommt die Zeit, wieder einmal in einem Buch zu schmökern. Bequem auf dem Liegestuhl am Strand. Oder in der Hängematte unter einem schattigen Baum. Ein paar Lesetipps dazu gefällig?
Das Café ohne Namen
Caféhäuser. Das sind Orte wie Wartehallen in Bahnhöfen. Man wartet darauf, dass noch jemand kommt, überhaupt jemand kommt oder geht, beobachtet Leute, hört ihnen zu, belauscht sie. Robert Simon, der Protagonist in Robert Seethalers Roman (man beachte die gleichen Initialen), eröffnet im Wien der 60er Jahre ein Café. Ein Ort für Menschen jeglicher Couleur. Dass das Café keinen Namen trägt, ist Programm. Denn: Es sind die Namen der Menschen, die es prägen werden. Sie kommen, um ihre Geschichte, ihre Sorgen und Nöte zu erzählen. Lesend sitzen wir sozusagen am Nebentisch und nehmen am Leben der andern teil. Robert Simon hat sich mit dem Café einen Traum erfüllt und sich um sein Lebensziel gebracht: nämlich, sich eine Traum zu erfüllen. Mit einem rauschenden Fest nimmt Simon von seinen Gästen Abschied. Ein Aufbruch.
Das Café ohne Namen ist ein Ferienbuch, in dem man interessante Menschen kennenlernt, selbst wenn man zu Hause bleibt.
Sibir
Josef wird mit 10 Jahren, Ende des Zweiten Weltkriegs, als deutschstämmiger Flüchtling von der Sowjetarmee verschleppt und nach Kasach-stan «übersiedelt». Die Steppe – eine harte Welt, die ihn vieles lehrt und wo er einen Freund findet. Mit ihm entdeckt er die Steppe als Ort der Geheimnisse und als Nahrungsgeberin. Diese Erfahrungen helfen ihm und seiner Familie beim Überleben. 40 Jahre später erzählt Josef seine Erlebnisse seiner Tochter Leila. Für Leila sind die Geschichten sehr hilfreich. Mit ihrem Freund Arnold legt sie geheime Vorratsorte an – wie ihr Vater damals. Sabrina Janesch erzählt mitreissend und emotional zwei Kindheiten. Immer aus der Sicht der Kinder – dadurch verliert es an Schrecken. Sie spannt meisterhaft einen Bogen, der die unbekannten Kapitel der deutsch-russischen Geschichte miteinander verbindet.
Hochspannend, manchmal zum Schmunzeln, oft auch zum Weinen.
Unsere Bäume der Hoffnung
Der Australier Tony Rinaudo hat Agrarwissenschaften studiert und lebt mit seiner Familie im Niger. Dort arbeitet er an einem Aufforstungsprojekt: Bauern werden dafür bezahlt, Bäume zu pflanzen und zu pflegen. Aber es ist ein Kampf gegen Windmühlen: «Meine Bemühungen schienen so nutzlos wie der Versuch, den Sand der Sahara mit einem Handbesen und einer Schaufel zurückzubefördern», stellt er fest.
Dann entdeckt er, dass die Wurzeln der gerodeten Bäume unterirdisch immer noch leben und dass diese Bäume wieder gedeihen, wenn sie gepflegt werden. Inmitten einer Hungersnot kann er die skeptischen Bauern davon überzeugen, diese Bäume wachsen zu lassen. Und das Unvorstellbare geschieht: Unter den alten Bäumen entstehen fruchtbare Gärten und Felder.
Tony Rinaudo lehrt diese Methode heute auf der ganzen Welt. Er wurde 2018 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Dieses Buch begeistert und berührt. Eine positive Entwicklung steht den vielen Schreckensmeldungen gegenüber. Es gibt Hoffnung!
Stille Wasser
Die Krimis von Donna Leon um Commissario Brunetti sind wie geschaffen für die Lektüre im Liegestuhl. In «Stille Wasser» muss Brunetti eine Auszeit nehmen. Das Räderwerk des Alltags hat den Commissario zermürbt. Krankgeschrieben, soll er sich in der Lagune von Venedig erholen. Wie wunderbar, einmal nicht Verbrechern hinterherzujagen, sondern in ländlicher Idylle seine Gedanken mit den Wolken ziehen zu lassen! Doch zwischen Bienen und Blumen kommt er einem grösseren Fall als je zuvor auf die Spur. Selbst in seinen Ferien wird er von Leichen nicht verschont.
Anfang einer neuen Zeit
Dieser Debütroman einer unglaublich jungen Autorin (Jahrgang 2002) aus Deutschland ist sehr fesselnd geschrieben. Die Geschichte spielt in Ostpreussen 1945. Emma Hoffmann ist eine junge Frau, die in den Wirren des Krieges völlig allein dasteht, ihre Angehörigen verloren hat und nun auch noch in sowjetische Gefangenschaft gerät. Sie wird von einem sowjetischen Militär vergewaltigt und macht viele schlimme Erfahrungen.
Dann begegnet sie Ajoscha Iwanow, einem ranghohen Offizier, der anders ist als die meisten Russen. Als Christ führt er jedoch selbst ein gefährliches Leben in der UdSSR. Dazwischen wird der Glaube von Grund auf erklärt und wie er helfen kann, zu vergeben und weiterzukommen.
Die drei Leben der Hannah Arendt
Graphic Novel über die Lebensgeschichte von Hannah Arendt: streitbare Jahrhundertdenkerin, zu früh, zu wütend, auf einschüchternde Weise klug, zu jüdisch, nicht jüdisch genug.
Hannah Arendt (1906–1975) war eine aussergewöhnliche Frau mit einem ausergewöhnlichen Werdegang. 1933 von den Nazis ins Exil gezwungen, liess sie ihr erstes Leben zurück und ging nach Paris. Doch auch ihr zweites Leben in Frankreich war nicht von Dauer: Nach einer Zeit der Staatenlosigkeit emigrierte sie schliesslich über Portugal in die USA, wo ihr drittes Leben begann und sie endlich in Sicherheit war. Dort publizierte Hannah Arendt ihr Hauptwerk «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft» und lehrte an der Universität – als erste Professorin in Princeton. Ihr Werk präge den politischen und philosophischen Diskurs massgeblich und nimmt bis heute eine bedeutende Rolle ein.
«Ist Oma noch zu retten?»
Eigentlich hat sich Pia auf einen schönen Sommer mit Oma Lore und jede Menge Erdbeertörtchen gefreut, doch als Pia am Bahnhof eintrifft, ist von der Oma keine Spur. Kurz entschlossen macht sie sich zu Fuss auf den Weg zu ihr und merkt schnell, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt! «Angst aus, Mut an!»: Das ist der Lieblingsspruch von Pias Oma, und der hilft immer, besonders in brenzligen Situationen. Also nimmt Pia all ihren Mut zusammen und macht sich auf eine verzwickte Spurensuche, die sie quer durch die Kleinstadt und überraschenderweise auch zu neuen Freundschaften führt.
Eine Detektivgeschichte vom Feinsten! Dieses Buch macht Spass, egal ob vorgelesen oder selbst verschlungen, im kühlen Schatten eines Apfelbaums oder gemütlich im Zelt nach einem langen Badetag! Altersempfehlung: ab ca. 10 Jahren.
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Digitale Seelsorge ist im Aufwind
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«Ich fand meinen Kurs wirklich perfekt»
Seit vier Jahrzehnten besteht der Evangelische Theologiekurs, und das Interesse an diesem Weiterbildungsangebot für Erwachsene bleibt ungebrochen. Dies zeigen auch die Stimmen der Absolventinnen und Absolventen, die aus den unterschiedlichsten Beweggründen an diesem Kurs teilnehmen.
«Der Tod ist unser biologisches Ziel»
Jörg Leutwyler, Spitalseelsorger und Leiter von Letzte-Hilfe-Kursen, über den Umgang mit Sterben, die Bedeutung von Humor und warum er keine Angst vor dem Tod hat.
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