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Sonntagszimmer

Wenn Randständige im Mittelpunkt stehen

von Matthias Zehnder tsc
min
03.06.2023
Wer in der Gesellschaft am Rand steht, droht herunter­zufallen. Für diese Menschen öffnet das «Sonntagszimmer» die Tore der Matthäuskirche und schenkt ihnen Zuwendung, Wärme und Geborgenheit.

Armutsbetroffene, Migrantinnen und Migranten, IV-Rentner, Langzeit-Sozialhilfebeziehende, Working Poor und seit dem Krieg in der Ukraine auch vermehrt Geflüchtete: Sie alle stehen am Rand unserer Gesellschaft. Das heisst: Sie sind nicht integriert in einen Beziehungsrahmen von Arbeit, Familie und Freunden. Besonders schlimm ist das für die Betroffenen am Sonntag, weil die meisten Menschen sich dann in genau diese Beziehungen zurückziehen. Wer gibt Randständigen am Sonntag einen Rahmen?

Die Antwort gibt das «Sonntagszimmer», das Angebot für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen am Rande der Gesellschaft leben. Ihnen steht die Matthäuskirche im Klein­basel jeweils am Sonntag von morgens bis abends offen: Das «Sonntagszimmer» bietet bis zu hundert Gästen ein Tagesprogramm inklusive sinnstiftender Übernahme einer freiwilligen Arbeit, Mahlzeiten, gemeinsame Aktivitäten und Programme und hat ein geistig-spirituelles Angebot mit Gebet, Gottesdiensten, Seelsorge und Meditation. Dazu haben die Besuchenden bei Bedarf niederschwellig Zugang zu Sozialberatung, erhalten im Notfall materielle Hilfe und punktuelle Unterstützung bei privaten und persönlichen Anliegen.


Striktes Zeitmanagement

Um 10 Uhr beginnt das «Sonntags­zimmer» damit, dass die Gäste gemeinsam das Mittagessen vorbereiten, den Tisch decken und schmücken. Gast­geber Thawm Mang und Sozialdia­konin Silvia Gurtner sorgen dafür, dass sich die vielen Nationalitäten willkommen fühlen. Fidan und Eliff aus der Türkei kümmern sich ums Kochen, Jean Pierre aus dem Elsass rüstet Salat, Joachim aus Russland macht Sandwiches, Bakkhet aus Somalia macht Reinigungsarbeiten und Thomas aus der Schweiz bereitet den Fruchtsalat zu.

 

 

Im «Sonntagszimmer» herrscht ein striktes Zeitmanagement. Um 11 Uhr gibt es Kaffee für diejenigen, die helfen, um 12 Uhr folgt das Mittags­gebet in der Kirche mit Segenssprüchen – vorgetragen von Menschen in ihrer Muttersprache. Um 12.30 Uhr steht das Mittagessen auf dem Tisch. Der klare Stundenplan bietet den Menschen, die aus der Gesellschaft gefallen sind, wenigstens am Sonntag einen festen Rahmen.

 

Alle willkommen!

Am Tisch haben alle einen Platz – egal, woher sie kommen, wie alt sie sind, warum sie hier sind. «Es hat genug für alle», betont Thawm. Helferinnen und Helfer schöpfen – Suppe und Salat, danach Gemüse, Reis und Linsen. Die bunt gewürfelte Mittagsgemeinde singt dreimal «Für Spiis und Trank» und hört Thawm zu, der nach der Vorspeise erklärt, was mit Jesus zwischen Ostern und Pfingsten geschehen ist. Der Nachmittag bringt Malen für alle. In der Matthäuskirche stehen Leinwände bereit. Gleichzeitig bietet Sozialdiakonin Mirjam Baumann niederschwellig Sozialberatung an: Armutsbetroffene können sie unkompliziert ansprechen und ihre Probleme loswerden. Um 15.30 Uhr gibt es Zvieri, um 18 Uhr folgt der «Mitenand»-Gottesdienst.

 

Gelebte Gemeinschaft

Thawm und Silvia sind herzliche ­Gastgeber. Es fällt auf, wie respektvoll und freundlich sie mit ihren Gästen umgehen. Gleichzeitig beharren sie strikt auf das Einhalten der Regeln und der Zeiten im Tagesablauf. Der Konsum von Alkohol oder Drogen wird nicht toleriert. Die beiden Gastgeber behandeln alle gleich – ganz egal, woher sie kommen und warum sie das «Sonntagszimmer» besuchen. Es ist gelebte Gemeinschaft.

Das «Sonntagszimmer» in der Matthäuskirche ist zwar ein sozial­diakonisches Projekt der Evangelisch-reformierten Kirche, existiert aber nur dank Spenden und Zuwendungen. Die Lebensmittel stammen von den Schweizer Tafeln. Kinder­kleider, Spielsachen und Alltags­gegenstände sind Sachspenden, verschiedene Partnerinstitutionen und Stiftungen unter­stützen das Projekt. Um das Angebot langfristig sicher­stellen zu können, spricht das «Sonntagszimmer» künftig auch Spenderinnen und Spender direkt an. Nur mit deren Hilfe kann das «Sonntagszimmer» auch künftig Randständige in der Matthäuskirche einmal pro Woche ins Zentrum stellen.

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