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Wie begegnen wir anderen Religionen?

von Ernst Ritzi
min
18.07.2024
Die Parabel der drei Ringe von Lessing stellt die Frage, ob nicht alle Religionen gleich zu bewerten seien. Mit ihrem Hörbuch will die junge Thurgauerin Ena Hager Kindern den Gedanken der Religionstoleranz näherbringen.

Ena Hager orientiert sich in ihrem Hörbuch an der Parabel der drei Ringe von Gotthold Ephraim Lessing. Die Ringe werden durch die friedensstiftende Ewigkeitsblume ersetzt, die den Tieren im Florestal verlorengeht. Gemeinsam gehen der Fuchs, der Marder und der Wolf auf die Suche nach dem Ursprung der Ewigkeitsblume und entdecken das Gemeinsame der Religionen. Jedes Tier wählt sich eine eigene Ewigkeitsblume aus. Die Tierwelt im Florestal findet zurück zu einem harmonischen Zusammenleben.

 

 

Sowohl die Geschichte der Tiere im Florestal als auch die Parabel der drei Ringe lassen offen, wie die Religionsgemeinschaften ihre eigenen Überzeugungen verstehen. Ist es im je eigenen Verständnis derselbe Gott, zu dem sie beten und von dem sie Impulse für ein friedliches Zusammenleben erwarten? Oder verstehen sie Toleranz so wie das der bekannte liberale Schweizer Dichter und Politiker Gottfried Keller in seiner Novelle «Das Fähnlein der sieben Aufrechten» einmal über die Vaterlandsliebe gesagt hat? «Achte jedes Mannes Vaterland, aber das deinige liebe!»

Wie verstehen und leben wir unseren christlichen Glauben? Die Parabel der drei Ringe und die Geschichte von der verlorenen Ewigkeitsblume, die Ena Hager erzählt, rufen uns zur Toleranz und zur Begegnung auf Augenhöhe mit anderen Religionen auf. Und dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Religionen und der Art, wie sie von den Menschen gelebt werden. In der Parabel von Ena Hager haben die wiedergefundenen persönlichen Ewigkeitsblumen verschiedene Farben. Nehmen wir den Faden von Gottfried Keller auf, sind wir als Christinnen und Christen gefragt, den eigenen Glauben zu lieben und Andersglaubenden und -denkenden innerhalb unserer eigenen Konfession und Religion und anderen Religionen mit Achtung zu begegnen.

Die Redaktion des Kirchenboten hat zwei christliche Theologen eingeladen, zu beschreiben, was sie an der eigenen Religion lieben, und wie sie Menschen mit anderen Überzeugungen und Religionen begegnen.

 

Das meinen Matthias Loretan und Lars Heynen:

 

Vieles spricht für den Dialog

Matthias Loretan, katholischer Seelsorger, Präsident des Interreligiösen Arbeitskreises im Thurgau

«Interreligiöse Dialog liegt im Trend. Doch es gibt unterschiedliche Motive, daran teilzunehmen. Martin Rötting hat die Motive typologisiert:

Spirituelle Pilger sind auf der Suche nach Identität und authentischen Erfahrungen. Von anderen etwas zu lernen, bedeutet für sie nicht Verrat am eigenen Glauben. Sie probieren gerne etwas aus und reflektieren die Erfahrung.

Orthodoxe Adapter wollen die Lehren und Riten der eigenen Tradition vor der Vermischung mit Elementen anderer Religionen schützen. In den Medien «repräsentieren» sie oft ihre Gemeinschaft. Sie verfügen über Definitionsmacht und Ressourcen.

Soziale Bewegerinnen engagieren sich in konkreten Projekten für die Inklusion von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie organisieren Sprachkurse oder begleiten bei Behördengängen. Gemeinsam kochen sie.

Religiös kulturelle Demokratinnen leisten einen strukturellen Beitrag zur Inklusion von Migranten und Andersgläubigen. Im Thurgau setzen sich Freiwillige ein, dass auch muslimische Kinder an der Schule in ihrem Glauben unterrichtet werden.

Humanistisch-Religiöse streben die Integration verschiedener religiöser Lehren und Riten zu einer universalen Religion an. Die meisten institutionell verfassten Glaubensgemeinschaften lehnen dieses pluralistische Glaubensverständnis als Relativismus ab.

Welcher Typ sind Sie? Und wie könnte ein Zusammenspiel der Motive gelingen?»

Universal statt exklusiv

Lars Heynen, Pfarrer in Romanshorn

«Im Wortsinn bedeutet ‹Toleranz› das Ertragen / Erdulden anderer Ansichten. Es bedeutet nicht gleichzumachen. Im Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen lohnt ganz sicher der Blick auf das, was verbindet. Ganz so banal ist die Sache aber am Ende nicht: In der Ringparabel ist schliesslich nur ein Ring der echte, wahre und wirkmächtige Ring.

Mir scheint es oft so zu sein, dass wir in ganz alltäglichen Dingen furchtbar engstirnig sein können, in Glaubensfragen aber eine Beliebigkeit an den Tag legen, die schwindelerregend ist. ‹Wir haben doch alle den gleichen Gott›, heisst es dann lapidar.

Abgesehen davon, dass Menschen anderer Religionen kaum so reden, stimmt es auch nicht mit dem Jesuswort überein ‹Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.› (Joh 14,6) Wen als Christin oder Christ die Frage umtreibt, was im Leben und im Sterben trägt, wird allein Antwort bei Jesus Christus finden, wie ihn die Bibel bezeugt. Sie ist nicht beliebig und gleichgültig: ‹Niemand kommt zum Vater denn durch mich›, sagt Jesus. Das klingt exklusiv, ausschliessend. Aber es ist Jesus, der dieses Wort spricht, nicht wir und nicht die Kirche.

Was ich liebe am christlichen Glauben, ist die Tatsache, dass Gott in Christus seine Liebe zur ganzen Welt bezeugt. Wir sind aufgerufen, diese Zuwendung, Gottes Liebe, vor der Welt zu bezeugen. Universeller und toleranter kann kein Glaube sein, als der christliche, der seinen Mitmenschen mit dem Blick der Liebe Gottes zu allen Menschen begegnet.»

 

 

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