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Wie spielt die erste Mannschaft der Kirche?

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18.04.2019
Wie begeistert man den Nachwuchs? Der FC Basel betreibt eine eigene Talentschmiede. Was kann die Kirche davon lernen? Massimo Ceccaroni, FCB-Spielerlegende und Chef der Nachwuchsförderung, erklärte die Strategie des Clubs.

Die Stelle Aus- und Weiterbildung für Pfarrerinnen und Pfarrer A+W lud auf den Nachwuchs-Campus des FC Basel ein. Das Thema: Talentscouting in Fussball und Kirche. Rund sechzig Pfarrpersonen, Sozialdiakone und kirchliche Mitarbeitende benutzten die Gelegenheit, einen Blick in die Nachwuchsförderung des grössten Schweizer Fussballclubs zu werfen. Die Besucher interessierte, wie der FCB Jugendliche dafür begeistert, am Ball zu bleiben. Wie motiviert der Club seine Schützlinge, dass sie zu den Besten gehören wollen?

Die Talentschmiede des FCB ist seit 2013 auf einem eigenen Campus organisiert, ganz in der Nähe des Stadions St. Jakob, wo die erste Mannschaft spielt. Die Stiftung verfügt über ein Budget von drei Millionen Franken pro Jahr. Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren sollen hier möglichst optimale Trainingsbedingungen vorfinden. 90 Prozent stammen aus der Region. Die auswärtigen Spieler wohnen auf dem Campus. Die Stiftung sorgt zudem dafür, dass alle Jugendlichen neben dem Fussball eine Schul- und Berufsausbildung absolvieren.

Die Früchte des Erfolgs, die unzähligen Pokale, ziehen auf der Balustrade über der Aula des FCB-Nachwuchscampus als Erstes die Blicke der Besucher auf sich. In der Kirche gebe es keine Siegestrophäen, meinte Sara Stöcklin, bei A+W zuständig für die Nachwuchsförderung im Theologiestudium. Damit benannte sie einen Unterschied zwischen den beiden Institutionen. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten.

Ruhm, Ehre, Anerkennung
Die Teilnehmenden der A+W-Veranstaltung kamen vorwiegend aus den Regionen Basel und Zürich. Die «Fans der Kirche» waren unter ihnen zahlreicher als die Fussballfans. Es sei neben der Freude am Spiel in erster Linie Ruhm, Ehre und Anerkennung, welche die Jugendlichen zum FCB locken, meinten die Kirchenvertreter. Und dass beim erfolgreichsten Schweizer Club vor allem Leistung und Disziplin zählen. In der Kirche hingegen stünden die Gemeinschaft und der Glaube im Zentrum. Die Gemeinschaft, der Teamgeist, sei auch im Fussball wichtig, entgegnete Massimo Ceccaroni.

Ceccaroni ist Chef der Nachwuchsabteilung beim FCB. Er diskutierte mit Pfarrer Martin Dürr, der Kolumnen für das FCB-Magazin «Rotblau» schreibt, und mit dem FCB-Fan und Theologiestudenten Fabian Thomi über Erfolgsstrategien in der Nachwuchsförderung im Fussball und in der Kirche. «Wir müssen aus begabten Kindern Fussballer machen. Der Leistungsdruck wird immer grösser», sagte Ceccaroni. Man beginne heute früh mit der Selektion, doch die Freude am Spielen bleibe das Wichtigste. «Der Jugendliche steht bei unserer Arbeit im Zentrum. Wir versuchen ihn so gut wie möglich zu fördern.»

Verantwortung übernehmen
Gerade einmal 20 Prozent der Nachwuchsspieler schaffen es gemäss Ceccaroni, als Fussballer ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Durch das duale Bildungssystem hätten jedoch alle eine berufliche Perspektive. Bei der «Philosophie» des FCB gehe es nicht nur ums Spielen. Man wolle den Jugendlichen eine gute Ausbildung bieten sowie Werte und Tugenden vermitteln: Verantwortung, Respekt, Gemeinschaft, Leidenschaft, Anstand und Pünktlichkeit. Die jungen Spieler sollten lernen, dass man in einem Mannschaftssport nicht alleine verantwortlich ist für Sieg und Niederlage, und wie man mit Enttäuschungen umgeht. Ceccaroni weiss, wovon er spricht. Während seiner gesamten Karriere in der obersten Spielklasse erzielte er kein Tor. Dennoch ist er in Basel eine Kultfigur und die Fans lieben ihn, nicht zuletzt weil der Basler dem FCB als Spieler 25 Jahre lang treu blieb.

«Es ist manchmal schwierig, den Spielern Verantwortung für sich selbst und das Team zu übertragen, weil man ihnen im Training viel vorgibt, das sie erreichen müssen», so der Ausbildungschef. Die Entwicklung der Persönlichkeit sei in der Ausbildung junger Talente wichtiger als der Erfolg. Anders verhalte es sich bei der ersten Mannschaft. Ihre Siege seien für die Motivation des Nachwuchses besonders wichtig.

Raum zum Gestalten
Der Fussball führe seinen Nachwuchs eng, meinte Fabian Thomi. «Die Kirche kann Räume öffnen und man kann sich eher entfalten.» So sieht das auch Thomas Schaufelberger, Leiter von A+W. «Jugendliche wollen etwas gestalten können», sagt er. Diesen Raum könne die Kirche bieten. Er findet, dass die Kirche durchaus von der Nachwuchsförderung des FCB lernen kann. «Ich war beeindruckt, wie verantwortungsvoll der Club mit jungen Menschen umgeht.» Es sei für die Motivation entscheidend, wie die erste Mannschaft spielt. Das könne man auf die Kirche übertragen. Pfarrpersonen und Kirchenleute sollten sich fragen: «Spiele ich gut? So dass andere, Jugendliche und Erwachsene, davon träumen, mitzuspielen? Kirchliche Vorbilder strahlen Leidenschaft, Begeisterung und Menschenliebe aus. Sie sind offen und neugierig und nehmen die Menschen ernst», sagt Thomas Schaufelberger.

Vorbilder sind wichtig
Gemäss Umfragen hätten Pfarrpersonen einen entscheidenden Einfluss darauf, ob jemand ein Theologiestudium beginnt, erklärt Thomas Schaufelberger. «Uninspirierte Pfarrpersonen generieren keinen Nachwuchs.» Auch wenn die Leistung noch nicht an erster Stelle stehe, werde der Fussballnachwuchs dennoch gefordert. Schaufelberger versteht dies als Wertschätzung und folgert: «Wenn die Kirche die Leistungsbereitschaft von jungen Erwachsenen anerkennt und sie in ihren Talenten und Begabungen fordert, macht es sie attraktiv für jene, die Lust haben und bereit sind, Eigenes und Neues zu schaffen und zu gestalten.»

Erfolg in der Kirche bedeutet für Thomas Schaufelberger, «Wege zu finden, um mit anderen Menschen zusammen glaubwürdige Formen von Glauben, Theologie, Engagement für die Ärmsten oder Einsatz in der Gesellschaft zu finden». Da gebe es anders als beim Fussballspielen «keine Rezepte oder feste Regeln». «Es braucht individuelle Leidenschaft gepaart mit einer hohen Sensibilität für die Menschen vor Ort. Biodiversität statt Monokultur – das ist das Motto einer Kirche der Zukunft. Darin darf sie ruhig erfolgreich sein», meint der Theologe.

Karin Müller, kirchenbote-online, 18. April 2019

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