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Wir feiern 500 Jahre Reformation

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24.02.2016
Im Jahr 2017 wird die protestantische Kirche 500 Jahre alt. Gefeiert wird nicht nur in der Schweiz und in Deutschland, sondern weltweit. Gedanken zur Reformation und eine grundsätzliche Frage: Was bewirkt ein solches Jubiläum?

Fragt man Schülerinnen und Schüler nach der Reformation, fällt ihnen zuerst Luther ein, lange vor Zwingli und Calvin oder Vadian, dem St.Galler Reformator. Auch in der Wahrnehmung der Welt stellt der deutsche Beginn der Reformation Ende Oktober 1517 alle anderen Bestrebungen zur Erneuerung der Kirche in den Schatten. Zwischen Wittenberg und Zürich, zwischen Genf und St.Gallen begriff man damals, dass vieles, was in der Kirche gelehrt wurde, nicht auf dem Wort Gottes gründete, sondern oftmals den Menschen bloss belastete. 

Luther für die Freiheit des Gewissens

So kämpfte Martin Luther zuerst gegen den Ablasshandel. Damit war die geschäftsträchtige Idee gemeint, den Gläubigen Strafen im Jenseits gegen gutes Geld zu erlassen. Luther erlebte, wie seine Gemeindeglieder irritiert waren und griff um ihretwillen ein. Mit 95 Thesen, die er an der Tür der Schlosskirche in Wittenberg anbrachte, lud er zu einer öffentlichen Diskussion über den Ablass ein. Doch die päpstliche Kirche seiner Zeit gestattete ihm dieses Vorhaben nicht. Nur wenige Jahre später begann ein Ketzerprozess gegen den Mönch aus Sachsen. Vor dem Reichstag in Worms berief sich Luther auf die Schrift, aber auch auf die Freiheit seines Gewissens: «Dagegen zu handeln, ist mir unmöglich. Gott helfe mir. Amen.»

Zwinglis Provokation in Zürich

Auch Huldrych Zwingli kämpfte für seine Gemeinde und für die Menschen, die um das Zürcher Grossmünster herum lebten. Als Pfarrer war er seit 1519 im Amt und von Anfang an predigte er für die Erneuerung der Kirche: Er kritisierte das Zölibat, verwarf die Verehrung der Heiligen und stellte die übertriebenen Fronleichnamsbräuche in Frage. Auch das Fegefeuer zweifelte er in seinen Predigten an. Zudem war er überzeugt, dass ungetaufte Kinder nicht verdammt würden. Selbst den «Zehnten», den die Kirchbürger leisten mussten, um die Geistlichen zu versorgen, betrachtete er nicht als göttliche Einrichtung. Doch erst, als Zwingli sich im sogenannten Fastenhandel 1522 zu Wort meldete, kam es zum Zusammenstoss mit der Papstkirche. Im Haus des bekannten Druckers Froschauer wurde während der Fastenzeit demonstrativ Wurst gegessen, womit klar gegen die kirchlichen Gebote verstossen worden war. Zwei Wochen später nahm Zwingli zu dieser Angelegenheit Stellung. Er argumentierte anhand der Schrift, dass der Mensch die Freiheit habe zu fasten oder nicht zu fasten. Und: Dass keine kirchliche Autorität sich höher stellen dürfe als das Wort der Schrift. 

System gesprengt

Das Neue, das Systemsprengende der Reformation war, dass weder Luther noch Zwingli sich der kirchlichen Hierarchie unterordneten.
Beide wollten auf Augenhöhe mit ihren katholischen Gesprächspartnern über die Bibel diskutieren. Das konnte man ihnen nicht gestatten, denn für dieses Anliegen waren schon Menschen – wie 100 Jahre zuvor Jan Hus in Konstanz – verbrannt worden. Gerade darum war das Auftreten von Luther aber auch Zwingli so unerhört mutig, konsequent und tapfer. 

St.Gallen als Reformationsstadt

Der gelehrte Humanist Joachim von Watt, genannt Vadian, wurde 1521 Ratsherr in St.Gallen. Zunächst förderte er die reformatorische Bewegung mit einigen Schriften. 1526 wurde er Bürgermeister. Bald darauf setzte er gegen den Widerstand der Abtei die Reformation in der Gallusstadt durch. Vadian gelang es aber, einen grösseren Aufruhr zu vermeiden. Von St.Gallen und Zürich aus wurden reformatorische Impulse in der ganzen Ostschweiz verbreitet. 

«Das Neue, das Systemsprengende der Reformation war, dass weder Luther noch Zwingli sich der kirchlichen Hierarchie unterordneten.» 

Im Jahr 2015 erhielt St.Gallen neben Wittenberg und Zürich und mehreren anderen Städten den Titel «Reformationsstadt Europas». Somit wird das Jubiläumsjahr, das am 31.Oktober 2017 beginnt, auch bei uns einen Schwerpunkt haben. Gefeiert wird der Reformationstag am 6. November als kantonales Highlight mit den reformierten St.Galler Stadtgemeinden. 

Schlusspunkt in Wildhaus

Geplant ist, dass in Wildhaus, dem Geburtsort von Zwingli, an Pfingsten 2018 ein Schlusspunkt gesetzt wird. In der Zwischenzeit spüren die Kirchgemeinden vor Ort den Fragen nach: Wieweit ist unsere Identität noch vom reformatorischen Erbe geprägt? Wie wichtig ist uns neben religiöser Mündigkeit die Verkündigung der
Bibel und der Bezug zu Jesus Christus, in dem allein unsere Vorfahren im Glauben die evangelische Freiheit begründeten? Wir stellen diese Fragen 500 Jahre nach den Anfängen – Gott sei Dank – auch ökumenisch. 

Die Frage, ob es aus der Geschichte etwas zu lernen gibt, bleibt offen und kann erst im Nachhinein beantwortet werden. Wichtig ist, sich erst mal einzulassen auf die Wurzeln, aus denen unsere Kirche herausgewachsen ist, um zu sehen, welche neuen Triebe und Äste heute am meisten Früchte tragen.

Text: Martin Heimbucher, Abtwil | Foto: as  – Kirchenbote SG, März 2016

 

 

 

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