«Wir haben die Stimmen von Frauen in der Kirche hörbar und ihre Arbeit sichtbar gemacht»
Frau Allemann, am 31. Mai 1947 wurde im Zürcher Glockenhof der Evangelische Frauenbund der Schweiz gegründet – die heutigen Evangelischen Frauen Schweiz. Jetzt im Jubiläumsjahr haben Sie ein Crowd-Funding gestartet. Steht es schlecht um Ihre Finanzen?
Ja, in der Tat steht es schlecht um unsere Finanzen. In den letzten beiden Jahren haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, wie wir die finanzielle Lage verbessern können: Wir haben Projektbeiträge beantragt und auch die Mitgliederbeiträge um 50 Prozent erhöht. Nun setzten wir auf ein Crowd-Funding, um möglichst vielen Menschen die Gelegenheit zu geben, uns zu unterstützen. Wir finden diesen partizipativen Ansatz interessant.
Wieso steht Ihnen weniger Geld zur Verfügung?
Unsere zwei grössten Finanzierungsquellen gingen und gehen leider zurück. Auf der einen Seite hat uns die Deutschschweizerische Kirchenkonferenz den Auftrag gegeben, unser Eigenkapital zu senken und hat deshalb bereits vor einigen Jahren ihren Beitrag gesenkt. Wir haben inzwischen den Auftrag erfüllt. Allerdings haben sich in der Zwischenzeit durch die kleiner werdenden Steuereinnahmen in den Landeskirchen die finanziellen Möglichkeiten der Kirchenkonferenz auch verändert. Das heisst, diese Lücke bleibt bestehen. Unsere zweite grosse Finanzierungsquelle ist der Fonds für Frauenarbeit der EKS. Die Kollekten, die den Fonds speisen, waren – insbesondere in den beiden Pandemiejahren – rückläufig. Deshalb erhalten wir auch da einen massiv kleineren Beitrag als bisher.
Wieso ist das Überleben der Evangelischen Frauen Schweiz auch für die Zukunft wichtig?
Es ist wichtig, dass auch in Zukunft jemand die Stimme erhebt für die Frauen aus den reformierten und evangelischen Kirchen. Sonst gehen diese Anliegen in der Diskussion unter und werden nicht angepackt. Leider gibt es weiterhin viele strukturelle Probleme, die eine echte Gleichstellung hemmen und bei denen es Handlungsbedarf gibt. Zum Beispiel verdienen Frauen nicht gleich viel wie Männer, von ihnen wird eine andere Rolle bei der Betreuung von Angehörigen und von Kindern erwartet und sie erhalten oft nur eine sehr kleine Rente. In der Kirche zeigt sich dieses Problem zum Beispiel bei den sehr kleinen Teilzeitpensen von Sigristinnen, Katechetinnen oder Sekretärinnen. Viele von ihnen haben keinen Zugang zu einer Pensionskasse. Hier braucht es unbedingt Verbesserungen.
Aber es gibt natürlich auch starke Rollenbilder, die immer noch nachhallen: Wer kümmert sich in der Kirchgemeinde um das Kirchenkaffee? In aller Regel sind es Frauen, die diese Freiwilligenarbeit leisten. Anerkennung erhalten sie dafür aber oft nicht ausreichend. Viel mehr wird es als selbstverständlich angesehen.
Was haben die Evangelischen Frauen Schweiz in den letzten 75 Jahren bewirkt?
Die EFS haben die Stimmen von Frauen in der Kirche hörbar und ihre Arbeit sichtbar gemacht – auf allen Ebenen. Sie haben sich eingesetzt für eine Stärkung von Lai-innen. So beispielsweise mit dem Weltgebetstag mit der Überzeugung, dass alle in der reformierten Kirche mitreden und mitentscheiden sollen, und jede Stimme das gleiche Gewicht hat. Die ökumenische Zusammenarbeit hat dabei eine wichtige Rolle gespielt.
Mit den anderen Frauendachverbänden zusammen haben sich die EFS seit ihrer Gründung eingesetzt für die rechtliche und faktische Gleichstellung der Frauen – sei es im Einsatz für das Frauenstimmrecht, die Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt und weiblicher Altersarmut.
Wie begehen Sie das 75 Jahre Jubiläum?
Am 14. Mai feiern wir an der Jubiläums-Delegiertenversammlung in Aarau, mit Musik und Einblicken in unsere Geschichte. Für Mai und Juni planen wir die Aktion «Bike for EFS». Wir gehen mit dem Fahrrad zur Arbeit und animieren auch Mitgliederverbände und Einzelmitglieder dazu. Mit dieser Aktion wollen wir auf die Freiwilligenarbeit aufmerksam machen, die so viele Frauen in den Kirchgemeinden und anderswo für unsere Gesellschaft leisten. Wer mitmacht, kann online die zurückgelegten Kilometer registrieren.
Sie präsidieren den Dachverband seit 2019. Was wollen Sie erreichen?
Mir ist es wichtig, dass die EFS wieder auf stabilen Füssen stehen, so dass wir mehr Ressourcen haben, um uns vertieft mit den aktuellen Themen zu befassen. Es gibt ja noch viel zu tun. Etwa die Gestaltung einer Kirche, in der sich alle wohl fühlen, in der alle mitreden und mitentscheiden können.
Persönlich ist es mir ein Anliegen, zur gesellschaftlichen Diskussion über ein Leben in Würde für alle beizutragen, egal, woher sie kommen, welches Geschlecht sie haben, wie alt sie sind. Und ich möchte die Diskussion rund um Freiwilligen- und Care-Arbeit ankurbeln. Damit einher geht die Frage, was wir eigentlich als Arbeit definieren. Weil die Erwerbsarbeit immer wichtiger wird, bleibt weniger Zeit für Freiwilligenarbeit, etwa das Mitwirken in einem Verein, und die Care-Arbeit. Das führt in meinen Augen zu einer gesellschaftlichen Schieflage. Wie schaffen wir hier für alle ein besseres Gleichgewicht? Diese Frage treibt mich um.
Interview: Nicola Mohler, reformiert.info
«Wir haben die Stimmen von Frauen in der Kirche hörbar und ihre Arbeit sichtbar gemacht»