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Malen zu spirituellen Impulsen

«Wir malen, wie wir unser Leben leben»

von Adriana Di Cesare
min
27.03.2025
An bestimmten Samstagen verwandelt sich die NACHBAR in ein Malatelier. Die Bilder, die hier entstehen, hängen später kaum an Wänden. Beim Malen zu spirituellen Impulsen geht es darum, etwas auszudrücken, das berührt.

Barbara Rohrer bewegt einen grossen Rolltisch durch die NACHBAR in der Stahlgiesserei. Darauf befinden sich viele Gouache-Farben in bunten Flaschen. Im Raum stehen Staffeleien mit grossen Blattformaten, und an der offenen Garderobenstange hängen mehrere Malschürzen griffbereit an Kleiderbügeln. Das Szenario lädt zum Malen ein, man möchte eine Schürze überziehen und loslegen, am besten gleich mit der blossen Hand in die Farben eintauchen. «Genau darum geht es», schmunzelt die Sozialdiakonin, «hier dürfen alle ihrem Impuls folgen, um zu malen.»

Zuerst ein leeres Blatt

Barbara Rohrer nennt ihr Angebot «Malen zu spirituellen Impulsen». «Alle sind dazu herzlich eingeladen, es braucht keine maltechnischen Kenntnisse und auch keine künstlerische Begabung.» Mitbringen muss man auch nichts: Farbe, Pinsel, Schwämmchen, Malschürze, alles ist da. Man benötigt lediglich «die Freude und die Neugier, sich mit Farben auszudrücken, und den Mut, auf ein leeres Blatt zuzugehen». Was dabei entsteht, muss nicht gefallen oder dem Anspruch genügen, eingerahmt und aufgehängt zu werden. «Das darf sein, muss aber nicht. Es geht vielmehr darum, etwas zum Ausdruck zu bringen, das berührt.»

Das «Malen zu spirituellen Impulsen» beginnt mit einer Einstiegsmeditation im Sitzen und mit dem Hören eines Textes. «Ich lese zum Beispiel eine Bibelstelle aus dem Neuen Testament und stelle abschliessend ein, zwei Fragen, die den Text in unseren Lebensalltag übertragen.» Barbara Rohrer führt aus: «Wenn die Jünger Jesus fragen: ‹Wo wohnst du?› und er sagt: ‹Komm und sieh!›, dann kann eine Frage lauten: Was würde ich sehen?» Nachher ist Raum, einem Gedanken aus dem Impuls nachzuspüren und ihn mit Bildern, Farben, Symbolen oder Formen auszudrücken. «Ob abstrakt oder gegenständlich, ist unwichtig, die Freude am Ausprobieren ist entscheidend.»

Das «Malen zu spirituellen Impulsen» biete einen wertungsarmen Entdeckungs- und Erkundungsraum, eine Malzeit nach Lust und Laune, ohne Leistungsdruck. Auch der Einstiegsimpuls sei lediglich ein Angebot, dem jemand nachgehen könne oder nicht.

Einsichten gewinnen

Die Sozialdiakonin schildert eindrückliche Erfahrungen von diesen Malvormittagen. «Es ist immer wieder berührend, wie Malende während des Malens Einsichten über sich selbst oder über ihre jeweilige Lebenssituation gewinnen können. Wir malen, wie wir unser Leben leben.»

Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie zeigen: Der Mensch denkt in Bildern. Während die Sprache versucht, Situationen über das Denken zu erfassen, geschehen Erkenntnisprozesse oft über Bilder. «Bilder verdichten Situationen oder Gedanken auf die wesentlichen Aspekte und wirken länger nach als Worte», bestätigt Barbara Rohrer, die auch ausgebildete Kunsttherapeutin ist. Ihr «Malen zu spirituellen Impulsen» versteht sich nicht als Kunsttherapie. Dennoch macht das Malen etwas mit einer Person. «Das Bild spricht zum Malenden in seiner ganz eigenen Sprache über Gefühle oder innere Impulse.» Es könne sich etwas ganz Persönliches zeigen. «Zum Beispiel erkennt jemand eine Person auf dem Bild, die verstorben ist. Das kann schmerzhaft sein, schenkt aber die Möglichkeit, diese Begegnung zu würdigen.»

Es sei nicht immer ganz einfach, das, was sich auf dem Blatt zeigt, anzunehmen, ein Ja zu finden zu dem, was man malt. «Das bedeutet, einen Prozess durchzumachen: vom ‹Malen, was man will› zum ‹Wollen, was man malt›. Das kann sehr heilsam sein, befreiend und ganz viel Freude bereiten.»

Während des Malens sprechen manche Gruppen nicht miteinander, andere tauschen sich aus. «Niemand anders sieht, was die malende Person im Bild erkennt oder beim Malen erlebt. Man muss nicht darüber reden, darf aber, wenn das für eine Gruppe stimmig ist. Das ist in jeder Gruppe verschieden.» Die Kursleiterin nimmt nur ganz dezent Einfluss. «Manchmal kommt jemand beim Malen nicht weiter und benötigt einen kleinen Hinweis, wo er oder sie weiterfahren könnte. Es ist schön, mitzuerleben, wie sich die Blockade dann meistens löst.»

Die Sozialdiakonin sieht im «Malen zu spirituellen Impulsen» auch eine Verbindung zum Glauben. «Ich erfahre meinen persönlichen Glauben stark über die Sinne, über das Erleben und das Erfahren. Beim Malen kann man sich konkret von Texten und Gedanken berühren lassen. Und von der Frage: Was bedeutet das Gehörte für mein Leben? Diese Methode finde ich sehr wertvoll.»

Am Schluss einer Maleinheit rundet eine kurze gemeinsame Würdigung den Vormittag ab. «Wir betrachten die Bilder in der Gruppe, und wer möchte, kann etwas zu seinem Bild mit den anderen teilen.»

 

Malen zu spirituellen Impulsen: Samstag, 12. April, 10 bis 12 Uhr, NACHBAR, Stahlgiesserei Schaffhausen. Anmeldung: barbara.rohrer@ref-sh.ch.

 

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