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Projekt «Seelsorge im Alter»

«Wo können die Leute mit ihren Fragen zum Lebensende hin?»

von Noemi Harnickell
min
22.05.2023
Das ökumenische Projekt «Seelsorge im Alter» will Menschen ab 65 Jahren in ihren Fragen und Sorgen unterstützen. Eine Befragung von 5000 Personen im Baselbiet soll erste Antworten liefern, worauf es bei der Umsetzung des Projekts ankommt.

Verena Gauthier Furrer und Cornelia Hof wollen hochbetagte Menschen in ihren Fragen, ihrer Trauer und ihrem Grübeln begleiten. Gauthier ist Fachverantwortliche für Diakonie in der römisch-katholischen Kirche und Hof ist als Kirchenrätin verantwortlich für Diakonie und Spezialseelsorge in der evangelisch-reformierten Kirche. Gemeinsam haben sie das ökumenische Projekt «Seelsorge im Alter» lanciert, mit dem sie, wie sie selber sagen, «offene Türen eingerannt» haben.

Einsamkeit im Alter ist ein grosses Thema

Angefangen hat alles mit der Studie «Inspire», die 2019 von der Universität Basel durchgeführt wurde. Alle über 75-Jährigen, zu Hause lebenden Personen in Baselland wurden darüber befragt, was ihre Wünsche in Bezug auf Gesundheit, soziale Unterstützung und Lebenssituation wären und welche Hilfe sie bereits erhielten.

Ein Faktor, der in den Antworten immer wieder auftauchte, war die Einsamkeit.

«Ein Faktor, der in den Antworten immer wieder auftauchte», sagt Verena Gauthier, «war die Einsamkeit. Nur war das eben keine Frage, die explizit gestellt wurde.» Mit dem Projekt «Seelsorge im Alter» wollen Gauthier und Hof den Fokus nun schärfen und unter anderem hier nochmal genauer nachhaken.

Mehr über 80-Jährige, aber gleich viele Heimplätze

«Alter und Seelsorge, das ist ein riesiges Feld», sagt Hof. Als Sozialdiakonin fällt ihr das schon seit vielen Jahren auf. Zwar wird bereits, ähnlich wie die Spitalseelsorge, auch in Alters- und Pflegeheimen Seelsorge angeboten. Aber oft fehlen in Kirchgemeinden und Pfarreien die personellen Ressourcen, ökumenische Angebote gibt es oftmals nicht. Cornelia Hof spricht von einem «Überschwall von Arbeit», mit dem Pfarrerinnen und Pfarrer schon jetzt konfrontiert sind. Mit dem steten Bevölkerungswachstum, vor allem in den Generationen der über 65-Jährigen, wird das so schnell auch nicht nachlassen. «Die Anzahl der über 80-Jährigen in unserer Gesellschaft wird sich in den nächsten 20 Jahren verdoppeln», sagt Hof. «Die Kapazität der Heime wird gleich bleiben.

Das bedeutet, dass ambulante und intermediäre Angebote in Zukunft mehr Gewicht erhalten und betreutes Wohnen gefördert werden wird. Stationäre Angebote hingegen werden in erster Linie pflegebedürftigen Personen zur Verfügung stehen.

Wandel im Heimleben

Schon jetzt ist der Wandel von klassischen Altersheimen zu Pflegeheimen, für deren Eintritt eine konkrete Pflegestufe vorgeschrieben ist, im Gang. In den Heimen werden vermehrt Patientinnen und Patienten leben, die aufgrund von Multimorbidität, d.h. dem Vorliegen mehrerer Krankheiten, und Demenz nicht mehr alleine leben können. Viele Familien können die Pflege der Betroffenen nicht übernehmen.

Wenn nur noch Hochbetagte in den Heimen leben, müssen alle anderen länger zu Hause bleiben. Heime sind soziale Orte. Gemeinsame Mahlzeiten, Gruppenaktivitäten und regelmässige Besuche von Pflegepersonen wirken der Einsamkeit entgegen. Diese Angebote entfallen zu Hause weitgehend.

«Was wollen Sie?» – Ein Fragebogen

Cornelia Hof und Verena Gauthier beschäftigen sich seit längerem mit dem Thema. Gemeinsam mit einer Spurgruppe haben sie einen Antrag zur Erarbeitung eines Konzeptes der «Seelsorge im Alter» erstellt, den die Synoden der beiden Landeskirchen im letzten Jahr genehmigten.

5000 zufällig ausgewählte Personen über 65 im Baselbiet erhalten zurzeit per Post eine Einladung, um an einer Befragung teilzunehmen. «Was wir von den Menschen vor allem wissen wollen», sagt Cornelia Hof, «ist, was sie sich konkret an seelsorglicher und spiritueller Begleitung wünschen – und von wem.»

Da sind Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind und nun ihrem Lebensende entgegenblicken. Da tun sich auf einmal viele Sinnfragen auf.

Die Fragen können online, aber auch handschriftlich auf einem Formular ausgefüllt werden. Die Fragebögen werden auch an Verantwortliche der Alters- und Pflegeheime, Pfarreien und Kirchgemeinden verschickt. So hoffen Hof und Gauthier, auch an Einschätzungen von professioneller Seite zu gelangen, was Bedarf und Bedürfnisse der Gesellschaft angeht. Bei der Umfrage und deren Auswertung werden sie von der Fachhochschule Nordwestschweiz unterstützt.

Ein ökumenisches Projekt

«Als Kirche gehört es zu unseren Kernaufgaben, Menschen in ihren Sinn- und Lebensfragen beizustehen, insbesondere auch dann, wenn sie ihrem Lebensende entgegenblicken», erklärt Cornelia Hof ihre Motivation. Ihnen begegnen viele unterschiedliche Menschen, die sich alle in ähnlichen Situationen befinden.

Da sind etwa Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind und nun ihrem Lebensende entgegenblicken», sagt Hof. «Da tun sich auf einmal doch viele Sinnfragen auf, die sie sich vielleicht ein ganzes Leben lang so nicht gestellt haben. Wo können sie nun damit hin?»

Für Verena Gauthier ist ausserdem klar: Der ökumenische Gedanke soll in Zukunft über die Zusammenarbeit der katholischen und der reformierten Kirche hinausgehen. «Auch Menschen aus anderen Religionsgemeinschaften sollen vom Seelsorgeangebot profitieren können. Wir sind für alle Menschen in unserem Kanton da. Das ist ein gesellschaftlicher Auftrag, den die Kirchen wahrnehmen.»

Dafür müssen zuerst aber möglichst viele der Befragten den Fragebogen ausfüllen.

 

 

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