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Versöhnung

Zwei Feinde, die zu Brüdern geworden sind

von Hans Herrmann / reformiert.info
min
05.12.2023
Der Berner Kleinverlag Lokwort präsentiert in seiner Reihe XS ein Gespräch zwischen einem Israeli und einem Palästinenser, die ein gemeinsames Schicksal zu Freunden gemacht hat.

Sie publizieren als Verleger in Ihrer Schriftenreihe XS eine hochaktuelle Neuerscheinung: ein Gespräch zwischen zwei Vätern, der eine Israeli, der andere Palästinenser. Worum geht es in diesem Gespräch?

Bernhard Engler: Der Israeli Rami Elhanan und der Palästinenser Bassam Aramin haben beide im Nahostkonflikt gekämpft und beide eine Tochter verloren. Sie könnten sich abgrundtief hassen – heute haben sie eine gemeinsame Mission und nennen sich Brüder. Elhanan und Aramin erzählen aus ihrem Leben, ihrer persönlichen Transformation, wollen aufrütteln und zeigen: Israelis und Palästinenser können aufeinander zugehen, miteinander sprechen, sich befreunden.

Wie ist diese Publikation mit dem Titel «Wie Frieden geht» entstanden?

Ein paar Tage nach dem 7. Oktober, nach dem Überfall der Hamas auf Israel also, hat meine Frau zu mir gesagt: «Das musst Du lesen!» Es war ein Interview auf einem Schweizer Nachrichtenportal mit Rami und Bassam. Ich war tief beeindruckt, sah die Publikation in meiner kleinen Reihe schon vor meinen Augen und beschloss spontan, das Projekt umzusetzen. In Rekordzeit ging es darum, die Rechte einzuholen, den Umfang des Interviews grob zu layouten. Und wir sahen: Es umfasste nur 6o Prozent des gewünschten Umfangs. Die Journalistin Annika Bangerter machte sich auf, Rahmi und Bassam erneut zu kontaktieren, um das Gespräch fortzuführen. Es war schwierig, Zeit verging, und Bassam reagierte auf Mails gar nicht mehr – wir fürchteten um sein Leben. Schlussendlich tauchte er auf, ein weiteres Konferenzgespräch fand statt, während ich parallel dazu die Produktion und den Vertrieb des Büchleins organisierte – ich wollte es unbedingt zu Beginn der Adventszeit lancieren.

 

Der Verlag

Bernhard Engler, Lokwort Verlag

Lokwort ist ein Berner Kleinverlag, geführt vom Gründer und Inhaber Bernhard Engler (65) im Einmannbetrieb. Nebst Büchern unter anderem in den Segmenten «Biografisches», «Spannung» und «Mundart» erscheint im Verlag die Reihe XL, bestehend aus 24-seitigen Büchlein mit Themen zur Zeit.

 

Geschichten rund um Dialog und Versöhnung im Zusammenhang mit Nahost sind im Moment einige zu lesen. Was hat Sie dazu motiviert, es mit Ihrer Schrift auch noch zu wagen?

Ich habe mich einen Deut um Markt- und Konkurrenzsituationen gekümmert. Ich wollte auf das Engagement dieser beiden Männer, mit deren persönlichen Geschichte im Hintergrund, einfach hinweisen. Von ganzem Herzen. Das Interview und seine Botschaft darin sprechen für sich selbst, sind einzigartig und brauchen keine Vergleiche mit anderen Publikationen.

An welche Leserschaft richtet sich das Büchlein vor allem?

An Menschen, die im Leben und gerade in der heutigen bewegten Zeit nicht nur das Negative sehen. Ich will nicht die Berufspessimisten bekehren, sondern die Zuversichtlichen in ihrer positiven Grundhaltung bestärken. Wer kann dies besser machen als die beiden Freunde, die im privaten Leben derart Schweres und Schwieriges erlebt haben?

Denken Sie, dass lösungs- und versöhnungsorientierte Publizistik ein klein wenig zu einer besseren Welt beitragen kann?

Ganz sicher. Wenn dieses «klein wenig» auch nur im familiären Kreis oder in der Nachbarschaft stattfindet, entsteht für die meisten eine Verbesserung in ihrem unmittelbaren Leben. Und wenn dies viele machen, entstehen in immer mehr Kreisen Bestrebungen in diese Richtung, und vor allem kommt es auch zu Gesprächen. Wie schon nur das Zuhören wichtig sein kann, erfährt man im Büchlein.

Lösung- und versöhnungsorientierte Publizistik kann im Kleinen tatsächlich zu einer besseren Welt beitragen.

Debatten in der heutigen Zeit sind oft geprägt von einem undifferenzierten Schwarz-Weiss-Denken. Gerade im Israel-Konflikt fällt es aber vielen Menschen schwer, sich dezidiert auf die eine oder die andere Seite zu stellen. Woran könnte das Ihrer Ansicht nach liegen?

Weil wir bei diesem Thema eben im Clinch sind und uns mit der hochkomplexen Situation und der Geschichte dahinter nicht so gut auskennen. Und wir, einmal abgesehen von den absolut unverzeihlichen Gewaltorgien, beide Seiten irgendwie verstehen können. In diesem Fall kann es nur von Vorteil sein, wenn wir uns nicht dezidiert auf die eine oder andere Seite stellen. Aber dezidiert für Frieden, das dürfen wir sein.

Sie verlegen Bücher, führen dazu auch noch die Reihe XS. Was hat es mit dieser Reihe eigentlich auf sich?

Sie entstand, als ich mit Blick auf mein 25-Jahr-Verlagsjubiläums eine Idee suchte. Ich verwarf den Gedanken an ein Fest und druckte stattdessen ein erstes kleines Büchlein mit einem Text, der bereits in einer Zeitung erschienen war. Ein sehr schöner, journalistischer Beitrag zum Thema «Heimat». Dieses Büchlein wollte ich gar nie verkaufen, sondern bloss im kleinen Kreis verschenken – bis ich merkte, dass der Spass daran auch zu Verkäufen führen darf.

Und wie ging es weiter?

Das wars dann, dachte ich nach dieser Publikation zuerst. Doch kurz darauf tauchte in einer anderen Zeitung ein zweiter Text auf, zum Thema «Freundschaft», und damit war das nächste Büchlein geboren. So ging es Publikation für Publikation weiter, ohne dass eine Strategie dahinterstand. Ich habe keine Sekunde Zeitungen und Magazine aktiv durchforstet, um potenzielle Texte für meine Reihe zu finden. Sie wurden mir allesamt aus dem Leben zugespielt.

Wie gelingt es, eine Schriftenreihe zu vermarkten? Mit «richtigen» Büchern ist es doch einfacher, denkt sich zumindest der Laie.

Der Laie denkt richtig. Vor allem Buchhandlungen lieben solch kleine Publikationen eher wenig, weil man mit einem Acht-Franken-Büchlein kaum etwas verdient. So fahre ich mit jedem neuen Büchlein die Antennen aus und sondiere, auf welchem Weg ich bestimmte Zielgruppen direkt ansprechen kann. Und dann erfolgt das übliche Auf und Ab. Von einem Büchlein habe ich bis jetzt ganze vier Stück verkauft, von zwei Titeln je mehrere Tausend.

Was bringt Sie als Betreiber eines kleineren Verlags dazu, in diesem schwierigen Marktumfeld überhaupt bei der Stange zu bleiben?

Wie viele Menschen arbeiten in Marktumfeldern, wo der rote Teppich schon ausgerollt ist? Ich kenne in meinem persönlichen Umfeld keine einzige Person, die sich nicht anstrengen muss. Was mich antreibt, der Buchkultur die Stange zu halten, ist der Sinn darin, den ich für mich und andere erkenne, das Interesse daran, die Freude. Nur das gibt den Ausschlag. Die Zahlen geben einem bloss die Antwort, ob man es richtig gemacht hat.

 

Literaturhinweis

Rami Elhanan & Bassam Aramin, interviewt von Annika Bangerter: Wie Frieden geht. 28 Seiten, 2023 Lokwort, ISBN 978-3-906806-46-4

www.lokwort.ch

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