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500 Jahre Reformation

Schaffhausen: Aufgeheiztes Klima

von Carmen Schirm-Gasser
min
26.04.2024
Vor 500 Jahren kam es im Raum Stein am Rhein, Stammheim und der Kartause Ittingen zu einem Aufstand im Zusammenhang mit der beginnenden Reformation. Ein Stationenweg und Veranstaltungen laden ein, über aktuelle Fragen des Glaubens und Zusammenlebens nachzudenken.

Im Sommer 1524 kam es im Raum Stein am Rhein, Stammheim und der Kartause Ittingen zu einem Aufstand von Bauern und Bürgern. Dieses Ereignis steht im Zusammenhang mit der beginnenden Reformation.

Seit November 2023 und durch das ganze Jahr 2024 wird mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen an die bedeutsamen Ereignisse und Umbrüche erinnert. Unter dem Titel «1524 – Stürmische Zeiten» haben mehrere Arbeitsgruppen in der Region Stein am Rhein, in Stammheim und im Thurgau zahlreiche Projekte und Veranstaltungen ausgearbeitet: www.1524.ch.

Stationenweg

Eine interkantonal zusammengesetzte Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, einen Stationenweg zum Ittingerstrum zu planen und inhaltlich zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe setzt sich zusammen aus dem ehemaligen Kirchenratspräsidenten Wilfried Bührer, Thomas Bachofner (Leiter Tecum), den involvierten Kirchgemeinden aus dem Thurgau, Zürich und Schaffhausen, sowie einem Vertreter der katholischen Landeskirche.

 

Der Stationenweg wird am 1. Mai eröffnet: Die gesamte Wegstrecke beträgt rund 23 Kilometer. Sie kann auch etappenweise begangen werden. | zvg

Der Stationenweg wird am 1. Mai eröffnet: Die gesamte Wegstrecke beträgt rund 23 Kilometer. Sie kann auch etappenweise begangen werden. | zvg

 

«Unser Ziel ist es, mit dem Stationenweg die historischen Geschehnisse von damals publik zu machen, Interesse zu wecken und für jedermann verständlich darzustellen», sagt Beat Junger, Arbeitsgruppenmitglied und Pfarrer in der Kirche Burg. «Wichtig ist uns dabei, einen Bezug zur heutigen Zeit herzustellen.» Der Stationenweg führt von der Kirche Burg (Stein am Rhein) über Stammheim, Nussbaumen, Uesslingen, Kartause Ittingen und den Thurübergang bei der Rohrerbrücke bis zum Schloss Frauenfeld.

Bezug zu heute herstellen

An diesen sieben Orten wird eine Tafel aufgestellt, die an die damaligen Ereignisse erinnert und Hintergrundinformationen vermittelt. Auf den Tafeln werden eine grafische Gestaltung zu sehen sein, ein Kurztext, sowie als Brücke zur Gegenwart ein Bibeltext und Impulsfragen, die zum Nachdenken anregen sollen und versuchen, einen Bezug zur heutigen Zeit zu schaffen. Über einen QR-Code wird ein längerer, informativer Text hinterlegt, ebenso wie ein Podcast, der den Inhalt in Gesprächsform darstellt. In diesem fünfminütigen Podcast hört man einer Familie zu, die unterwegs ist und Personen aus der Geschichte begegnet.

«Damit einzelne Stationen in sich verständlich sind, haben die Texte eine gewisse Redundanz», sagt Beat Junger. «Damit möchten wir auch Gelegenheitsbesucher ansprechen.» Im Kreuzgang der Kartause Ittingen können alle sieben Stationen gemeinsam gesehen werden. Finanziert wird der Stationenweg von Tecum, dem Zentrum für Spiritualität der Evangelischen Landeskirche Thurgau. Die Kosten belaufen sich auf rund 20 000 Franken.

«Aufgeheiztes Klima» ist der Leitsatz der Tafel in Stein am Rhein. «Hans Öchsli war kein Radikaler und wurde dennoch Opfer der Obrigkeit», sagt Pfarrer Beat Junger. Dieses Ereignis könne man auch gut auf die jetzige Zeit umlegen. «In einer Zeit, in der es wieder Denkverbote gibt und viel polarisiert wird, sollten wir uns fragen, ob wir den Mut haben, in Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit Brisantes sorgsam abzuwägen. Prüfet alles und das Gute behaltet, heisst es in der Bibel im 1.Thessalonicher 5, 21.»

 

Hörgeschichten: Der Ittinger Sturm

1524 war ein bedeutsames Jahr für die Region Stein am Rhein. Hans Öchsli, Priester in der Kirche Burg, gut befreundet mit dem Reformator Ulrich Zwingli, war früh zu einem Vertreter der Reformation geworden. Seine kritischen Predigten verfehlten ihre Wirkung nicht, die Menschen nahmen den Reformationsgedanken auf und schlossen sich dem neuen Glauben an. Öchsli war jedoch kein «Scharfmacher». Er ging umsichtiger vor als etwa Gleichgesinnte im benachbarten Stammheim. Dort zerstörte eine aufgebrachte Menschenmenge am 24. Juni 1524 alle Heiligenbilder und Kreuze. Öchsli liess zur selben Zeit ebenfalls die Bilder und Kreuze aus der Kirche entfernen. Aber er zerstörte sie nicht, sondern lagerte sie auf dem Dachboden ein.

Der katholische Landvogt aus Frauenfeld indes hatte genug. Erstaunlicherweise statuierte er ein Exempel nicht in Stammheim, das viel aufrührerischer war, sondern in Vorderbrugg (heute Stein am Rhein). Er ordnete an, Hans Öchsli des Nachts zu entführen. Doch dieser schrie laut um Hilfe. Leute aus der Umgebung hörten ihn und liefen den Entführern hinterher. Umsonst. Pfarrer Öchsli wurde im Schloss Frauenfeld in Haft gebracht. Darüber entfachte sich ein Sturm der Empörung, der darin gipfelte, dass am 19. Juli die Kartause Ittingen in Flammen aufging und geplündert wurde. Nur mühsam konnte eine Eskalation zwischen den katholischen und den reformierten Orten, allen voran Zürich, vermieden werden. Für diesen ausufernden Tumult wurden drei Rädelsführer von der Tagsatzung in Baden verurteilt und hingerichtet. Überraschend entliess der Landvogt Pfarrer Öchsli aus der Haft im Schloss Frauenfeld. Er durfte nicht mehr nach Burg zurückkehren.

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